Guten Tag, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, wir haben den 7. Dezember, herzlich willkommen zur Sendung "Typisch Helene". Ich hoffe, es geht Ihnen gut im Vorweihnachtsrummel oder ich hoffe, dass Sie der Rummel [1] zumindest nicht allzu sehr ärgert. Meine Haltung zur Shoppinghysterie vor Weihnachten kennen Sie ja: Sie geht mir schrecklich auf die Nerven. Ich mag es nicht, um jeden Preis zum Konsumieren gedrängt zu werden. Das ist natürlich nicht nur an Weihnachten so, sondern auch am Valentinstag, an Ostern oder am Muttertag. Aber - schlussendlich muss jeder selbst entscheiden, wie er oder sie mit dem Konsum umgehen will. Lassen wir also die Vorweihnachtszeit sein und kommen wir zu unseren heutigen Themen: Zuerst erzähle ich Ihnen von meinem nächtlichen Bad im Freien, danach geht es darum, was Glück für verschiedene Menschen bedeutet, und zum Schluss verrate ich Ihnen noch, warum ich ein Papiermensch bin.
Vor ein paar Tagen habe ich etwas getan, was ich sonst nur selten tue: Ich habe ein Spa-Angebot getestet. Ich hatte wieder einmal so richtig Lust darauf, etwas ganz anderes zu erleben und total unbeschwert [2] zu sein. Ich betone das so, weil ich Spas eigentlich nicht ausstehen kann [3]. Ich finde die ganze Wellness-Szene total überschätzt [4], und es ist fast schon lächerlich, dass jedes Hotel einen Spa-Bereich haben muss oder glaubt, einen haben zu müssen. Denn meistens ist die Qualität des Angebots nicht besonders gut, die Masseurinnen und Kosmetikerinnen sind mittelmässig bis gelangweilt, zudem geht mir die elektronische Entspannungsmusik, die in den meisten Spas im Hintergrund läuft, furchtbar auf die Nerven. Aber - da bekam ich das Angebot, im Hotel Montana in Luzern ein ganz neues Konzept auszuprobieren. Es heisst "Spa and the City" und ist ganz auf Frauen zugeschnitten [5]. Da konnte ich als Luzernerin natürlich nicht widerstehen, zumal ich dieses Hotel sehr mag. Ich gehe oft dorthin, um einen Apéritif zu trinken, vor allem auch mit ausländischen Gästen, denn nirgendwo in Luzern hat man eine derart schöne Aussicht auf den See und die Berge.
Die Idee für dieses spezielle Spa-Angebot ist, dass sich Frauen einen schönen Abend machen können - sei es für einen Polterabend oder für einen Geburtstag, für ein Jubiläum oder sonst einen wichtigen Anlass, den man mit Freundinnen feiern möchte. Das durften meine vier Kolleginnen und ich testen. Und ich muss sagen, ich hatte extrem Spass daran. Denn zum Empfang bekamen wir Champagner und feine Apéro-Häppchen [6]. Danach wurden wir in die Spa-Suite geleitet. Die Suite sieht aus wie ein Turmzimmer, sie ist gross und rund, hat ein gigantisches [7] Bett, viele Sessel, eine kleine Sauna, ein Dampfbad, eine Massageliege - und ein Sprudelbad draussen, auf dem Balkon. Das Wasser blubberte [8] schon - und ich, die eben über solche Sachen die Nase rümpft [9], konnte es kaum erwarten, in dieses Sprudelbad zu steigen. Wir waren alle ein bisschen aufgeregt, denn nachts unter freiem Himmel in ein Sprudelbad zu steigen, und das erst noch im Winter, erlebt man nicht jeden Tag. Aber weil wir die Spannung steigern wollten, liessen wir uns zuerst die Fingernägel lackieren. Ich war die Erste, die sich zur Kosmetikerin hinsetzte, denn Maniküre ist etwas, das ich mir sonst nie gönne [10]. Nach der Maniküre liess ich mir ausgiebig [11] den Rücken massieren, auch das war etwas, das ich sonst eher selten mache und nach dem ich mich seit Wochen gesehnt [12] habe.
Plötzlich begannen alle Frauen zu kichern: Ein junger Mann in einem schönen dunklen Anzug kam zur Türe herein und stellte sich als unser privater Butler vor. Der gehörte natürlich zum Konzept, aber die meisten von uns hatten noch nie einen privaten Butler gehabt und fanden das grossartig. Und der Butler machte seine Sache super: Er war sehr höflich, sehr zuvorkommend, sehr galant und sehr attraktiv. Das gefällt den Damen. Und dann, dann war es soweit: Wir wagten uns auf die Terrasse unserer Suite und stiegen in das heisse, sprudelnde Wasser und der Butler servierte uns den passenden Drink dazu. Und wir sassen da, hörten das Wasser sprudeln, nippten am Getränk, lachten und schwatzen, blickten auf den See und die glitzernden Lichter der Stadt Luzern hinunter und immer wieder zu den Sternen hoch.
Ach, es war wunderschön! Ich muss sagen, das werde ich sicher wieder einmal tun. Das nächste Mal aber nicht als Journalistin, sondern als ich, Helene, mit ein paar Freundinnen. Einfach so. Denn zum Feiern gibt es immer etwas. Und es macht so viel Spass, ab und zu mal etwas zu tun, was man sonst nie tun würde. Wenn ich an diesen Abend zurück denke, lächle ich immer noch.
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Ich hoffe, Sie lächeln nun auch liebe Zuhörerinnen und Zuhörer. Details zu "Spa and the City" finden Sie übrigens auf der Website des Hotels Montana. So, und jetzt kommen wir zu unserem nächsten Thema. Und zwar geht es um Glück, oder besser gesagt, was man unter Glück versteht. Glück ist ja eine schwierige Sache und als solche kaum zu definieren. Denn was heisst schon "Glück"? Wann ist man glücklich? Ist Glück ein Zustand oder etwas Flüchtiges [13]? Was braucht es, um glücklich zu sein?
Viele denken, dass man haufenweise [14] Geld haben muss, um glücklich zu sein, oder einen Partner, eine Familie, ein tolles Auto, die Möglichkeit, in exotische Länder zu reisen, einen interessanten Job, oder am besten alles zusammen. Den meisten ist zwar klar, dass Geld allein nicht unglücklich macht, aber nicht ausreicht, um wirklich glücklich zu sein. Und ich kenne viele, die in einer Partnerschaft leben und Familie haben und trotzdem unzufrieden sind. In exotische Länder zu reisen oder ein schönes Auto zu haben ist zwar super, kann aber auf die Dauer kein Glück garantieren. Zwar sind sich alle einig darüber, dass Gesundheit eine zentrale Voraussetzung für Glück ist, aber ich habe Menschen kennengelernt, die sehr krank sind und dennoch nicht unglücklich sind. Was also, braucht es, um glücklich zu sein? Um dieser Frage auf die Spur zu kommen, habe ich bei einigen meiner Freundinnen und Freunde nachgefragt. Und dabei sind ein paar überraschende Antworten herausgekommen.
Susanne, eine Juristin, musste lange über diese Frage nachdenken, sagte dann aber bestimmt: "Hmmm, weisst du, Glück bedeutet für mich, zum ersten Mal einer Strasse entlang zu gehen, Menschen und Häuser zu beobachten und mich davon inspirieren zu lassen." Das fand ich sehr schön. Denn auch ich versuche immer wieder, in Zürich und Luzern neue Wege und Strassen zu finden und geniesse es, Dinge zum ersten Mal zu sehen. So kann man seine Umgebung neu entdecken.
Mein Freund Greg, ein Ingenieur, antwortete sehr spontan: "Als Glück bezeichne ich den Moment, in dem man kein Verlangen [15] nach etwas anderem hat. Sei es, wenn ich ein Ziel erreicht habe, sei es bei einem guten Essen oder etwas noch Besserem." Was das noch Bessere sein könnte, wollte er nicht verraten, aber das kann man sich ja denken, nicht wahr? Und Catherine, eine Germanistik-Studentin, antwortete auf die Glücksfrage wie folgt; "Glück ist für mich der Zustand, in dem ich mich dem Moment hingeben und loslassen kann - egal, was ich gerade noch alles tun sollte und egal, ob ich allein oder mit jemandem zusammen bin." Was bedeutet Glück für Sie, liebe Zuhörer? Ich frage mich dies natürlich auch, und zwar immer wieder. Denn die Glücks-Definition verändert sich. Glück kann deshalb für mich bedeuten, jemanden leidenschaftlich zu küssen. Oder in einer renommierten Zeitschrift einen Text über den Jemen zu publizieren. Oder mit meiner kleinen Nichte Verstecken zu spielen und zu hören, wie sie mich "Nanna" ruft. Das ist im Moment mein grösstes Glück.
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Und nun zum Schluss noch folgendes, liebe Zuhörer. Ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass die NZZ, die Neue Zürcher Zeitung, für eine Zukunft ohne Papier wirbt? "NZZ-Leser brauchen kein Paper", heisst es auf Plakaten. Es genügen Smartphones, Laptops und Tablets. Ha! Ich knurre [16] jedes Mal, wenn ich ein solches Plakat sehe. Im Moment kämpfen viele Zeitungen ums Überleben. In Deutschland sind bereits zwei grosse Zeitungen eingegangen [17], weil sie zu viele Leser verloren haben. Und ich fürchte, es werden noch mehr dazu kommen. Das ist traurig, finde ich, und schrecklich. Und ebenso schrecklich ist es, dass Zeitungen eher der Kampf angesagt wird, statt sie zu verteidigen. Dass man Online- und Print-Journalismus gegeneinander ausspielt [18]. Dabei ist es doch in erster Linie wichtig, dass die Journalisten gute Arbeit leisten und gut dafür bezahlt werden.
Ich finde aber, dass Papier noch immer eine ganz andere Ausstrahlung hat, als ein Bildschirm. Etwas auf Papier zu lesen, hat mehr Wert. Es ist angenehmer, beruhigender und entspannender. Ich spüre das immer wieder an mir selber. Natürlich lese ich Nachrichten, Interviews und Reportagen auch online und auf meinen iPhone-Apps. Aber ich merke, wie mich das zu stressen beginnt. Der online-Konsum von Nachrichten macht mich unruhig, ich fühle mich gehetzt und lese die Texte nur noch oberflächlich, zudem strengt er meine Augen an.
Ich bin froh, wenn ich abends den Computer ausschalten kann und nicht mehr auf irgendwelche Bildschirme starren muss. Wie schön ist es dann, mich an meinen Küchentisch zu setzen, einen Tee zu trinken und die Zeitung zu lesen. Vielleicht die lange Hintergrundreportage, für die ich noch keine Zeit gehabt habe oder das grosse Interview. Einen Teil der Zeitung nehme ich dann vielleicht noch mit ins Bett. Lesen beruhigt, das Gefühl, Papier in den Händen zu halten, etwas Lebendiges, tut meiner Seele gut. Zeitungen machen die Zeit langsamer, sie entschleunigen [19], laden zum Nachdenken ein. Online ist für den schnellen Konsum, Papier für die Vertiefung der Fakten, für die Analyse, die Klarheit. So gesehen, bin ich ein Papier-Mensch - eindeutig [20].
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1 der Rummel: Aufregung, Chaos
2 unbeschwert: unbelastet
3 nicht ausstehen können: nicht gern haben
4 überschätzt: überbewertet
5 zugeschnitten sein auf: bestimmt sein
6 die Häppchen: kleine Sachen zum Essen
7 gigantisch: riesig, sehr gross
8 blubbern: sprudeln
9 die Nase rümpfen über: etwas schlecht finden
10 sich etwas gönnen: sich etwas Gutes tun
11 ausgiebig: lange und gründlich
12 sich sehnen nach: etwas wünschen
13 etwas Flüchtiges: etwas Temporäres, nicht Bleibendes
14 haufenweise: sehr viel
15 Verlangen haben: sich etwas wünschen, sich sehnen nach
16 knurren: Laut eines Hundes, hier: verärgert sein
17 eingehen: sterben, kaputt gehen, schliessen
18 gegeneinander ausspielen: sich bekämpfen lassen
19 entschleunigen: langsamer machen
20 eindeutig: klar
21 sich vornehmen: planen, etwas tun wollen