Hallo, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer. Heute würde ich am liebsten sagen: Hallo, liebe Freundinnen und Freunde. Denn heute muss ich als Erstes ein bisschen jammern [1]. Haben Sie auch schon Tage gehabt, an denen alles schief gelaufen [2] ist? So einen hatte ich nämlich heute und davon möchte ich Ihnen gleich erzählen. Danach reden wir aber wie versprochen übers Schweizer Fondue und zum Schluss verrate Ihnen dann noch, warum die Bahn am Zürcher Flughafenterminal E trotz Jodeln und Muhen extrem cool ist. Ach ja, fast hätte ich es vergessen: Heute ist der 1. Oktober. Herzlich willkommen zu "Typisch Helene". Ich freue mich, dass Sie wieder mit dabei sind!
Also, liebe Freundinnen und Freunde, heute war wieder mal so ein Tag: Es ist alles schief gelaufen, was schief laufen konnte. Und ich bin im Moment nudelfertig [3]. Keine Sorge, es ist nichts Schlimmes passiert. Aber das war nun einfach zu viel. Als Erstes habe ich mich heute Morgen verschlafen [4]. Das heisst, ich habe den Wecker nicht gehört. Nein, das stimmt auch nicht ganz: Ich habe ihn schon gehört, aber ihn sofort wieder abgestellt, weil mir der Ton schrecklich auf die Nerven ging [5]. Und dann bin ich natürlich wieder eingeschlafen. Als ich zwei Stunden später wieder aufwachte und realisierte, dass ich mich verschlafen hatte, sprang ich in Panik aus dem Bett, stolperte [6] über den Teppich und stiess meinen Kopf gegen den Türrahmen. Halb bewusstlos [7] schwankte [8] ich ins Badezimmer, stieg in die Dusche und knallte meinen Ellbogen [9] gegen die Wand. Und als ich schliesslich meinen Badezimmerschrank öffnete, um die Zahnpasta herauszuholen, fielen gleich alle Tuben und Dosen mit einem lauten Krachen ins Lavabo.
Auf der Redaktion leerte ich vor lauter Stress meinen Kaffee über die Tasten meines Computers, und die wurden dann natürlich unbrauchbar. Dann schickte ich ein böses Mail an den falschen Mann, vergass einen Interviewtermin und löschte aus Versehen [10] einen Text, an dem ich schon einen Tag lang gearbeitet hatte. Das passiert mir sonst nie, und ich verstehe immer noch nicht, warum ich den Text nicht gespeichert hatte. Als ich dann noch von dem Mann, dem ich das falsche Mail geschickt hatte, eine böse Antwort bekam, hatte ich genug: Ich ging nach Hause. Aber auch das war wohl keine sehr gute Idee, denn ich sah dadurch meine Wohnung wieder einmal bei Tageslicht. Und was ich sah, deprimierte mich schwer: Sie war nämlich voller Staub und Spinnen-Netze. Zwar sagt man, dass es ein gutes Zeichen ist, wenn man Spinnen als Haustiere hat, aber das war zu viel. Wütend nahm ich den Staubsauger und zerstörte alle Spinnen-Netze - was mir dann aber doch wieder ein bisschen Leid tat, denn die Spinnen hatten sicher sehr lange an den Netzen gearbeitet. Mit dem Staubsauger machte ich aber nicht nur die Netze kaputt, sondern auch eine Vase, die ich mal zu Weihnachten geschenkt bekommen hatte.
Also setzte ich mich traurig aufs Sofa und öffnete eine Flasche Wein, etwas das ich sonst nie tue. Wein trinke ich nämlich nur in Gesellschaft. Aber: der Wein hatte Zapfen [11]. Und da hatte ich die Nase voll [12]. Wollen Sie wissen, was ich dann tat? Ich nahm einen alten Teller aus dem Schrank und schmiss [13] ihn mit aller Kraft auf den Boden. Das war wunderbar! Danach fühlte ich mich wie befreit. Und danach setzte ich mich an meinen Computer und schickte das richtige Email an den richtigen Mann.
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Vielen Dank fürs Zuhören, liebe Freunde, jetzt geht es mir schon viel besser. Und immer, wenn es mir besser geht, denke ich ans Essen. Geht es Ihnen nicht auch so? Ja? Wunderbar! Reden wir also übers Fondue. Sie haben sicher schon Fondue gegessen und falls nicht, müssen Sie es unbedingt einmal probieren Denn jetzt im Oktober beginnt wieder die Fondue-Saison, da muss man dabei sein. Fondue ist eine Art Käse-Suppe, die in der Schweiz schon seit Jahrhunderten existiert. Sie ist von Sennen [14] erfunden worden, als sie in den Alpen Kühe und Schafe hüteten [15]. Weil die Sennen in dieser Zeit oft viele Monate lang nicht ins Dorf hinunter konnten, haben sie vor allem Käse und Brot gegessen. Das waren übrigens auch die einzigen Lebensmittel, die sie selber herstellen konnten. Irgendwann sind sie auf die Idee gekommen, den Käse in einen grossen Topf zu tun, ihn zu schmelzen - daher auch der Name "Fondue" - und Weisswein hinzuzufügen. Sie steckten kleine Brotstücke auf lange Gabeln und tunkten [16] diese in die Käsesuppe. Und fertig war das Fondue. Im Jahre 1950 wurde das erste Fondue-Rezept in ein Schweizer Rezeptbuch aufgenommen und als Nationalgericht anerkannt. Später hat man es dann auch in Militärkochbüchern abgedruckt, was das Fondue in der Schweiz endgültig berühmt machte.
Fondue isst man übrigens immer in der Gruppe und dabei stecken alle ihre Gabeln in den gleichen Topf. Daran dürfen Sie sich natürlich nicht stören. Wichtig ist aber, dass Sie beim Essen aufpassen, dass Ihnen das Brotstück nicht von der Gabel fällt und im Käse verschwindet. Dann nämlich kann es passieren, dass Sie eine Runde bezahlen [17] oder auf der Stelle ein Lied singen müssen. So will es die Tradition. Und so gemütlich die Schweizer auch sind: Wenn es ums Fondue geht, können sie unerbittlich [18] sein.
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An dieser Stelle hätte ich Ihnen nun vom Ritual des Sonntags-Zopfes erzählt, aber das mache ich das nächste Mal. Vielleicht erinnern Sie sich an die vorletzte Sendung. Darin habe ich unter anderem über die Bahn geredet, die am Flughafen Zürich zwischen den Terminals hin- und herfährt und mich darüber beklagt, dass die Reisenden während dieser Fahrt Jodeln und Muhen hören und Bilder von Kühen und dem Heidi sehen müssen. Ein Zuhörer hat mir nun auf mein Klagen einen Kommentar geschrieben, den ich grossartig finde und Ihnen nicht vorenthalten [19] will. Oliver findet diese Kombination aus Schnellzug, Jodeln, Muhen und Kühen nicht etwa peinlich, sondern kokett. "Ich meine", schreibt er, "dass Zug und Film sehr gekonnt einen Bogen spannen [20] zwischen der modernen und multimedialen Welt, den Schweizer Traditionen und der wunderschönen Landschaft. Diese Kombination von High-Tech und naturbelassener [21] Tradition ist halt schon eine Spezialität der Schweiz." Da sage ich nur: Vielen Dank für deine Worte, lieber Oliver. Ich werde bei der nächsten Reise mit einem ganz anderen Gefühl in diesen Zug steigen.
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Und schon wieder sind wir am Ende unserer Sendung, liebe Freundinnen und Freunde. Wir hören uns wieder bei "Typisch Helene" am 15. Oktober auf www.podclub.ch. Und dann reden wir ganz sicher über den Zopf, das liebste Sonntagsbrot der Schweizer. Probieren Sie doch bis dann schon mal ein Stück und essen Sie es mit ganz viel Butter und Konfitüre. Ich wünsche Ihnen einen guten Appetit. Bis bald und auf Wiederhören.
[1] jammern: sich beklagen
[2] schief laufen: nicht funktionieren
[3] nudelfertig: total kaputt
[4] verschlafen: zu spät aufstehen
[5] auf die Nerven gehen: ärgern, nerven
[6] stolpern: über etwas fallen
[7] bewusstlos: ohne Bewusstsein, ohnmächtig
[8] schwanken: nicht gerade gehen
[9] der Ellbogen: Gelenk am Arm
[10] aus Versehen: ohne Absicht
[11] der Zapfen: der Wein ist schlecht
[12] die Nase voll haben: genug haben
[13] schmeissen: werfen, schleudern
[14] der Senn: Arbeiter auf der Alp
[15] hüten: aufpassen auf
[16] tunken: in etwas kurz hineintauchen
[17] eine Runde bezahlen: für die ganze Gruppe ein Getränk bezahlen
[18] unerbittlich: sehr streng
[19] vorenthalten: verheimlichen
[20] einen Bogen spannen: verbinden
[21] naturbelassen: natürlich