Heute ist der 15. Oktober, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, herzlich willkommen zu "Typisch Helene". Diesmal bin ich nicht mehr so kaputt wie das letzte Mal, sondern satt [1] und ausgeruht. Und das liegt unter anderem am Zopf, den ich noch immer in meinem Brotkasten habe, und von dem ich Ihnen gleich erzählen werde. Danach reden wir über ein weiteres, sehr schweizerisches Thema, nämlich über den Vita Parcours, und zum Schluss verrate ich Ihnen, was ein Zickenkrieg ist. Und noch was: Heute feiert unsere spanische Podcasterin Alicia ihre 50. Sendung. Wer herausfindet, wann Alicia ihre erste Sendung gemacht hat und diese Frage auf der Podclub-Homepage beantwortet, kann eine Flasche Rioja und spanischen Schinken gewinnen. Ich finde, das hört sich super an, oder? Also nichts wie los!
Er ist nicht zu übersehen: Er ist goldgelb, lang gezogen und rundlich, riecht betörend [2] und liegt immer am Samstag in den Regalen der Geschäfte. Sie kennen ihn sicher, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer: die Rede ist vom Zopf, dem traditionellen Schweizer Sonntagsbrot. Am Samstag bäckt jede Schweizer Bäuerin, die etwas auf sich hält [3], einen Zopf. Familien versammeln sich zum Zopfbacken in der Küche, und ich habe sogar männliche Freunde, die gerne Zopf backen [4] und sagen: Zopfbacken ist Männersache. Ich persönlich habe zwar nichts gegen Backen, aber ich gehe doch am liebsten in eine Bäckerei und suche mir ein besonders schönes Exemplar aus. Denn: Der Zopf ist so etwas wie die Krönung [5] aller Brote, ein Höhepunkt auf dem Frühstückstisch und, Sie ahnen es wohl schon, leider, leider auch der Feind aller Diäten. Zopf enthält nämlich sehr viel Butter, deshalb schmeckt er ja auch so fein, und weil er so fein schmeckt, kann man auch nur so schlecht ein einziges Stück davon essen - also, ich zumindest. Und je nach dem, ob man Konfitüre, Käse oder Honig drauf tut oder ihn einfach bloss dick mit Butter bestreicht, schmeckt er immer wieder ein bisschen anders. Ganz besonders gut ist er übrigens, wenn man ihn toastet. Aber das heisst auch, dass man alle Varianten ausprobieren muss, um zufrieden zu sein. Mir läuft das Wasser im Munde zusammen, wenn ich nur schon daran denke. Ich könnte jetzt auf der Stelle drei Stück verdrücken [6]: Eines mit Kirschenkonfitüre, eines mit Emmentalerkäse und eines mit französischem Brie.
Jetzt ist es natürlich ganz wichtig zu wissen, dass Zopf nicht einfach gleich Zopf ist. Er ist nämlich von Region zu Region verschieden: Im Kanton Bern schätzt man zum Beispiel einen breiten und stumpfen [7] Zopf. In der Zentralschweiz ist er eher breit und flach [8], und die Ostschweizer mögen ihn eher lang und dünn. Früher, im 15. Jahrhundert, war der Zopf als ein spezielles, essbares Weihnachts- und Neujahrsgeschenk sehr beliebt. Man schenkte ihn sogar seinem Liebsten und verwendete [9] ihn bei Hochzeitszeremonien, da der Zopf auch als Symbol für Fruchtbarkeit galt. Denken Sie also daran, wenn Sie das nächste Mal einen Zopf in der Hand halten.
Und noch was: Weil der Zopf so viel Butter enthält, kann man ihn sehr lange im Brotkasten aufbewahren. Das ist eine gute Nachricht für alle, die alleine leben. Mich ernährt ein Zopf auf jeden Fall fast eine Woche lang.
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Ich habe Ihnen zu Beginn der Sendung gesagt, dass ich heute nicht so kaputt bin wie das letzte Mal. Aber ich glaube, ich muss Ihnen etwas gestehen [10]: Ich bin nämlich nicht ganz ehrlich [11] gewesen. Ich war heute morgen seit langem wieder einmal joggen und spüre jetzt jeden Knochen in meinem Körper. Der Rücken schmerzt, die Beine, die Arme, ja sogar mein Po. Dabei habe ich es ganz locker genommen, bin langsam gerannt, habe immer schön regelmässig geatmet - aber, ich habe mich natürlich lange nicht mehr so richtig bewegt. Und das rächt sich [12] jetzt. Meine Kondition ist ganz unten. Das ist natürlich sehr unangenehm, denn je weniger ich mich bewege, desto fauler werde ich, und je fauler ich werde, desto unwohler [13] fühle ich mich, und je unwohler ich mich fühle, desto ungeduldiger werde ich. Also habe ich heute morgen meinen inneren Schweinehund überwunden [14] und bin auf den Vita Parcours gegangen, der in einem Wald in der Nähe meiner Wohnung liegt.
Ich weiss, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, das Wort Vita Parcours hört sich sehr altmodisch an. Und eigentlich ist der Vita Parcours auch etwas sehr Altmodisches: Der Parcours ist eine Laufsstrecke von etwa zwei bis drei Kilometern, auf der man alle 300 Meter Übungen machen kann. Das ist sehr wirksam. So gibt es zum Beispiel Ringe, an denen man die Bauchmuskeln trainiert, Stangen, an denen man Klimmzüge [15] übt, oder flache Baumstümpfe [16], auf denen man Übungen für die Beweglichkeit machen kann. Ich habe um die Stangen und die Ringe einen grossen Bogen gemacht [17], denn das war mir für den Neuanfang zu anstrengend. Aber ich fand es wundervoll, einfach durch den Wald zu laufen, das Laub [18] auf dem Waldboden zu riechen und die Menschen zu beobachten, denen ich begegnete. So sah ich einen Vater, der mit seinem kleinen Sohn Balancieren übte, eine alte Dame, die mit ihrem Hund schimpfte und einen älteren Herrn mit dickem Bauch und rotem Kopf, der im Rhythmus seines Ipods an mir vorbei rannte. Es war so aufregend, dass ich zum Schluss ganz vergass, dass ich ebenfalls am Joggen war, und so lief ich länger als geplant. Das Resultat meines sportlichen Morgens habe ich Ihnen bereits gebeichtet [19]: Ich habe schon jetzt einen solchen Muskelkater [20], dass ich mich morgen wohl kaum vom Stuhl erheben [21] kann.
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Und zum Schluss, liebe Zuhörer, noch eine kleine Worterklärung. Vor etwa drei Wochen haben wir ja Bundesratswahlen gehabt. Die Schweiz hat nun vier Frauen im Bundesrat [22] und damit zum ersten Mal in ihrer Geschichte eine Frauenmehrheit. Das ist grossartig, und alle freuten sich. Doch schon am nächsten Tag schrieben die Zeitungen: "Zickenkrieg im Bundesrat." Die vier Bundesrätinnen und ihre drei männlichen Kollegen haben sich nämlich darüber gestritten, wer welches Departement bekommt. Das war natürlich ein bisschen unglücklich und wahrscheinlich auch unnötig, aber es geschieht nun mal, dass sich Menschen streiten, vor allem Politikerinnen und Politiker. Was mich aber nun sehr geärgert hat, ist, dass sofort "Zickenkrieg" herrscht, wenn sich Frauen streiten. Zicke bedeutet nämlich "weibliche Ziege" und beschreibt eine störrische [23], launenhafte, unangenehme Frau. Wenn Männer streiten, kämpfen sie. Aber wenn Frauen streiten, sind sie Zicken. Das ist doch unfair, oder? Stellen Sie sich vor, es wäre umgekehrt: Männer wären bei jedem Krach "Böcke [24]", Frauen aber "Kämpferinnen". Da wären doch ganz viele Männer ganz schnell schrecklich beleidigt.
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Ich hoffe, ich habe Ihnen heute Appetit auf Zopf gemacht, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, und Lust darauf, auch mal eine Runde auf einem Vita Parcours zu drehen. Das nächste Mal reden wir unter anderem über den Fluch der Ipods und der verschlossenen Ohren. Wir hören uns dann also wieder am 29. Oktober auf www.podclub.ch. Bis dann wünsche ich Ihnen eine schöne Zeit. Auf Wiederhören.
[1] satt: nicht mehr hungrig
[2] betörend: verführerisch, sehr schön
[3] etwas auf sich halten: sich wichtig nehmen
[4] backen: Brot machen
[5] die Krönung: Höhepunkt
[6] verdrücken: essen
[7] stumpf: nicht spitz
[8] flach: nicht hoch
[9] verwenden: brauchen
[10] gestehen: sagen, dass man nicht ehrlich gewesen ist
[11] ehrlich: die Wahrheit sagen
[12] etwas rächt sich: etwas hat unangenehme Folgen
[13] unwohl: nicht wohl, sich nicht gut fühlen
[14] seinen inneren Schweinehund überwinden: sich aufraffen, etwas zu tun
[15] der Klimmzug: sich mit den Armen hochziehen
[16] der Baumstumpf: unterer Teil des Baumstamms
[17] einen grossen Bogen machen: einen grossen Umweg machen
[18] das Laub: Blätter, die von den Bäumen gefallen sind
[19] beichten: die Wahrheit sagen, gestehen
[20] der Muskelkater: Muskelschmerzen nach Sport
[21] sich erheben: aufstehen von
[22] der Bundesrat: Regierung der Schweiz
[23] störrisch: bockig
[24] der Bock: männliche Ziege