Ich schlug die Augen auf und sah Hans, der mit einer Hand meinen Gürtel hielt und mit der anderen meinen Onkel stützte. Vorsichtig bewegte ich mich. Offensichtlich war nichts gebrochen, aber ich fühlte mich wie zerschlagen. Wo waren wir? Wir lagen am Hang eines Berges. Direkt vor mir war eine Schlucht, in die ich hineingestürzt wäre, hätte Hans mich nicht festgehalten.
"Sind wir in Island?", fragte ich mit heiserer Stimme. Hans schüttelte den Kopf. Ich blickte mich um. Statt Schnee und Eis unter einer blassen Polarsonne zu sehen, sah ich einen Berghang, der von der sengenden Sonnenglut völlig ausgedörrt war. Wir waren halb nackt und lagen in der warmen Sonne, nach der wir uns zwei Monate lang gesehnt hatten. "Das ist wirklich nicht Island.", stellte mein Onkel fest, als sich fünfhundert Fuß über uns der Krater des Vulkans öffnete und unter lautem Getöse eine hohe Flammensäule vermischt mit Bimsstein, Asche und Lava ausspie. Ich konnte das Zucken des Berges fühlen.
Was ich von der Landschaft sah war lieblich und unvergleichlich schön. Am Fuße des Vulkans wuchsen Oliven, Feigen und purpurfarbene Weintrauben. Dort, wo das grüne Land endete, glitzerte das Meer blau. Im Osten entdeckte ich einen kleinen Hafen und einige Häuser. Im Westen war der Horizont von Festland begrenzt. Dort sah man einen hohen Bergkegel, aus dem eine Rauchfahne aufstieg. Im Norden schimmerte eine gewaltige Wasserfläche im Sonnenlicht.
"Lasst uns aufbrechen, eh' wir noch einen Felsbrocken auf den Kopf bekommen.", ordnete mein Onkel an. So machten wir uns an den Abstieg in dieses unbekannte Land. Mein Onkel und ich dachten darüber nach, wo wir wohl gelandet sein könnten. Hatte doch unser Kompass immerfort nach Norden gezeigt. Während des Fußmarsches aßen wir köstliche Granatäpfel, die wir in unserer Not einfach pflückten. Welch Labsal! Dann entdeckten wir auch eine Quelle, an der wir unsere Gesichter erfrischten und den Durst stillten.
Während wir tranken, trat plötzlich ein ärmlich gekleideter Junge zu uns. Er erschrak über unser wildes Aussehen und wollte sich auf der Stelle davon machen, aber mein Onkel hielt ihn fest. Es dauerte eine ganze Weile bis wir aus dem Jungen herausbekamen, wo wir uns aufhielten. Er sagte nur ein einziges Wort, bevor er davonlief: "Stromboli."
Wie war das nur geschehen? Wir befanden uns im Mittelmeer, auf dem Äolischen Archipel der Sage, wo Äolos die Winde und Stürme angekettet hatte. Die Berge im Osten waren die Berge Kalabriens und der am südlichen Horizont aufragende Vulkan war der Ätna.
Stromboli! Was für eine wundervolle Reise. Vom Sneffels zum Stromboli. Erfrischt und bewegt machten wir uns auf den Weg zum Hafen. Die Italiener starrten uns zunächst ungläubig an und so gaben wir uns als Schiffbrüchige aus. Ich hörte meinen Onkel immer wieder murmeln: "Aber der Kompass. Er zeigte doch immer nach Norden. Wie soll ich das erklären?" Ich schmunzelte in mich hinein und dachte, dass wir eigentlich gar nicht zu erklären brauchten.
Wir erreichten den Hafen von San Vicenzo und mein Onkel zahlte Hans den Lohn für die dreizehnte Woche aus. Hans drückte dabei zum ersten Mal mit den Fingerspitzen unsere Hände und lächelte.