Eigentlich begann die Reise erst jetzt. Der Augenblick war gekommen, in den schrecklichen Schlund hinabzusteigen. Noch hätte ich mich weigern können, aber ich schämte mich vor Hans. Er nahm dieses Abenteuer so ruhig hin und schien so sorglos, dass ich es nicht ertragen konnte, nicht eben so tapfer zu sein wie er. Also schritt ich mutig auf den Kamin zu und dachte dabei wehmütig an meine hübsche Vierländerin.
Ich beugte mich in den Schlund hinunter und meine Haare sträubten sich. Trotz des Antischwindeltrainings in Kopenhagen fühlte ich mich wie betrunken und die gähnende Leere hatte eine furchtbare Anziehungskraft auf mich. Fast hatte ich das Gefühl zu stürzen, als eine hand mich festhielt. Es war Hans' Hand. Jetzt wusste ich, wie der Abgrund beschaffen war.
In den nahezu senkrechten Wänden hatte ich Vorsprünge gesehen, die den Abstieg erleichtern würden. Aber es gab kein Geländer. Ein Seil würde helfen, aber wenn wir es hier oben befestigten, wie sollten wir es wieder losmachen, wenn wir unten angekommen waren? Mein Onkel hatte für dieses Problem eine Lösung. Er schlang das Seil um einen vorstehenden Lavablock und ließ beide Hälften in den Abgrund hinunter. So konnten wir uns festhalten und trotzdem das Seil mit in die Tiefe nehmen.
"Jetzt zum Gepäck. Wir werden drei Pakete packen. Jeder von uns trägt eins. Und natürlich tragen wir nur die zerbrechlichen Sachen." Der Professor sah uns an. "Wir alle tragen einen Teil der Lebensmittel. Hans trägt außerdem die Werkzeuge, du die Waffen und ich die empfindlichen Instrumente." Mein Onkel schien mit seiner Planung zufrieden. "Was ist mit den Kleidern, den Seilen, Leitern und anderen Dingen?", fragte ich verwirrt. "Wie kommen die hinunter?" Mein Onkel lachte. "Das wirst du gleich sehen."
Hans verpackte alle Dinge, die nicht zerbrechlich waren in ein Paket. Mein Onkel nahm es und warf es in den Schlund. Es polterte unter lautem Getöse in den Abgrund und mein Onkel verfolgte es mit den Augen, so lange es ging. Dann blickte er auf. "Jetzt kommen wir." Bei diesen Worten bekam ich eine Gänsehaut, aber ich nahm das Paket mit den Lebensmitteln und den Waffen und ging zum Abgrund. Wir stiegen hintereinander in den Abgrund. Er Hans, dann mein Onkel und schließlich ich.
Ich hatte Angst, dass das Seil uns alle drei nicht halten würde und versuchte, es so wenig wie möglich zu nutzen. Als eine Stufe unter Hans' ruhigem Schritt wankte hörte ich Hans Stimme: "Gif akt." Mein Onkel übersetzte "Vorsicht!" Nach einer halben Stunde waren wir am Ende des Seils angekommen und saßen auf einem Felsen, der fest an der Wand des Kamins saß. Der Grund unseres Schachtes war noch nicht zu sehen.
Wir ließen wieder das Seil hinunter und begannen erneut mit dem Abstieg. Ich konnte mich nicht auf die Beschaffenheit des Terrains konzentrieren, aber der Professor machte sich zweifellos seine Notizen. "Je tiefer wir kommen, desto zuversichtlicher bin ich. Seht nur, wir befinden uns mitten im Urgestein. Das System der inneren Wärme lehne ich vollkommen ab. Hier ist ein chemischer Prozess vorangegangen, bei dem Metalle durch die Berührung mit Wasser und Luft in Brand gerieten. Aber wir werden es ja auch bald sehen."
Ich hatte keine Lust zu diskutieren, da mein Onkel immer wieder zu demselben Schluss kam. So stiegen wir schweigend weiter ab. Drei Stunden später konnte ich den Boden des Schachts immer noch nicht sehen. Dafür wurde die Öffnung oben immer kleiner. Wie stiegen immer weiter ab und ich beobachtete das Manöver mit dem Seil ganz genau. Vierzehn Mal hatten wir das Manöver nun hinter uns. Es dauerte jeweils eine halbe Stunde, das Ende des Seils zu erreichen. Wir waren also sieben Stunde und eine halbe unterwegs. Dazu hatten wir Ruhepausen eingelegt. Schätzungsweise waren wir jetzt zehneinhalb Stunden unterwegs. Das bedeutete, dass es ungefähr elf Uhr sein müsste.
Ich hatte gerade ausgerechnet, dass wir uns in einer Tiefe von zweitausendachthundert Fuß befanden, als Hans rief: "Halt!" Ich blieb sofort stehen. Auch mein Onkel hatte angehalten. "Wir sind am Ziel. Wir haben den Boden des Kamins erreicht." Ich schaute mich um. "Gibt es einen anderen Ausgang?" "Hier ist eine Art Gang, die schräg nach rechts führt. Wir werden jetzt etwas essen und dann schlafen. Morgen werden wir diesen Gang erkunden."
Wir öffneten den Proviantsack und aßen. Dann legte sich jeder so bequem wie möglich hin, um zu schlafen. Ich legte mich auf den Rücken und sah nach oben. Der dreitausend Fuß lange Kamin verwandelte sich für mich in ein riesiges Fernrohr und ich sah einen Stern, der nach meinen Berechnungen das ß des Kleinen Bären sein musste. Mit diesem Gedanken schlief ich ein.