Drei Menschen kurz vor ihrem 40. Geburtstag - Judith, Ulrike und Jochen - versuchen aus dem ewigen Einerlei des Lebens auszubrechen und wagen den Schritt in die große Freiheit. Alexander Riedel zeigt in seinem dokumentarisch anmutenden Film moderne Menschen der Großstadt und ihre Sehnsüchte nach dem "Mehr" im Leben.
Drei unterschiedliche Großstadtmenschen, die aus der Warteschleife ihres bisherigen Lebens ausbrechen möchten, drei unterschiedliche Schicksale, drei gemeinsame Sehnsüchte: Judith, eine ehemalige Stewardess, lebt mit ihrem kleinen Sohn allein in einer abgelegenen Wohnsiedlung, verdient ihre Brötchen mit langweiliger Heimarbeit und Telefonmarktforschung mit Flirtfaktor für ein Lifestyle-Magazin.
Drei Menschen - eine Sehnsucht
Bildunterschrift: Judith (Judith Al Bakri) schlägt sich mit Telefonmarketing durch.
Ulrike macht Tabula Rasa. Nachdem ihr Freund sie verlassen hat, kündigt sie im Jugendamt und beginnt eine Ausbildung als Masseuse und Kosmetikerin. Jochen hockt in einem billigen Pensionszimmer und will weg von schlecht bezahlten Gelegenheitsjobs, lernt bald als Versicherungsvertreter Leute über den Tisch zu ziehen und hofft auf eine eigene Wohnung. Alle Drei stehen kurz vor ihrem 40. Geburtstag und am Scheideweg.
Doku-Drama mit großer Authentizität
Bildunterschrift: Ulrike (Ulrike Arnold) wagt den Neustart, tauscht Büro- gegen Massagestuhl.
Fast märchenhaft klingt die musikalische Ode an München von COCONAMI, "Schön wie ein Märchen, mein München, bist du!", und ist doch pure Ironie. In der schicken Stadt gibt's genug dunkle Ecken, hinter der Fassade von Gutbürgerlichkeit und Geld lauern Eitelkeit, Lebensangst und Selbstbetrug. In seinem Doku-Drama kommen Alexander Riedel seine Dokumentarfilm-Erfahrungen zu Gute, er erreicht durch winzige Gesten große Authentizität, die flügellahmen Protagonisten wirken echt, das Ambiente und die hilflosen Aktionen realistisch, die Dialoge sind präzise, offen, manchmal verletzend.
Die große Tristesse und die kleinen Fluchten
Originaltitel: Morgen das Leben (D, 2010)
Regie: Alexander Riedel
Darsteller: Judith Al Bakri, Ulrike Arnold, Jochen Strodthoff
Länge: 91 Min.
FSK: o. A.
Kinostart: 02. Juni 2011
Genau und in abgezirkelten Einstellungen zeichnet die Kamera alltägliche Tristesse und kleine Fluchten, mal beim Chatten sich wie Judith als Stewardess geben, die gerade aus Peking kommt und mal die alte Uniform überziehen, um etwas darzustellen, oder wie Jochen die Hippie-Haare bis über die Ohren kürzen und mit Krawatte den alerten Vertreter mimen oder nur ganz simpel bei der Insekten-Party mit den Kolleginnen am Gläschen Sekt nippen, wie es Ulrike mit ihren Freundinnen tut.
Melancholisches Portät über Suchende
Bildunterschrift: Beginnt morgen das Leben? (Jochen Strodthoff)
Ein eindringliches und melancholisches Porträt über Suchende und Verlorene, die einmal etwas erreichen oder abheben möchten und doch bleischwer am Boden kleben. Sie bewegen sich und treten doch nur auf der Stelle. Aber wer weiß, vielleicht beginnt es "Morgen das Leben"?