„Mamsell“ sollte eigentlich „Mademoiselle“ heißen. Sie war eine Französin und unterrichtete alle sechs Klassen in ihrer Muttersprache. Sie war sehr temperamentvoll, konnte– meist zum Vergnügen der Mädchen – fürchterlich schimpfen und fiel auf alle Streiche herein. Trotzdem liebten die Mädchen gerade diese Lehrerin sehr. Wer ihren Namen so lustig verstümmelt hatte, das wußte längst niemand mehr. Alle nannten sie Mamsell, selbst Fräulein Theobald.
Natürlich hatte Mamsell viel zu tun. Sechs Klassen in Französisch zu unterrichten, das war schon viel. Sie mußte außerdem die vielen schriftlichen Klassenarbeiten durchsehen und verbessern. Deshalb war sie von allen Aufsichtspflichten befreit. Höchstens abends, wenn die Mädchen schliefen – oder wenigstens schlafen sollten! –, kontrollierte sie, ob alles ruhig war.
Diese gute Ordnung nun war plötzlich ins Wanken geraten. Eine junge Lehrerin, Fräulein Körner, die Sport, aber auch Geschichte und Erdkunde unterrichtete, war nach Weihnachten für ein Vierteljahr zu einem Lehrgang gefahren.Das war längst verabredet und von der Direktorin auch eingeplant worden. Aber dann fiel plötzlich Fräulein Lamprecht aus. Ihre Mutter war schwer krank, und sie mußte sie unbedingt pflegen, da die Mutter niemanden sonst hatte.
Ein schwerer Schlag für Fräulein Theobald, die aber trotzdem die Lehrerin sofort gehen ließ.Die Mädchen hatten nicht viel davon gemerkt oder auch nicht darüber nachgedacht. Sie waren alle noch von dem „Abenteuer Grit“ gefangen. Doch dann gab es fast eine Katastrophe – wenigstens schien es der Direktorin so: Fräulein Roberts, eine sehr energische und gute Lehrerin, die schon viele Jahre in Lindenhof unterrichtete, fiel eines Tages während einer Konferenz um. Doch es war nicht eine vorübergehende Ohnmacht, wie ihre Kolleginnen vermuteten.Fräulein Roberts war krank. Tagelang hatte sie sich mühsam auf den Beinen gehalten. Es fehlten ja schon zwei Lehrkräfte!