Eine Köchin wollte Vanille kaufen und trat in einen Laden, den sie seiner Ausstattung nach für einen Gewürzkram hielt. Die Wände waren bis zur Decke hinauf mit Schränken verkleidet, und jeder Schrank hatte Abtheilungen und Unterabtheilungen, und diese wieder hatten Fächer und Fächerchen, Laden und Lädchen, und bis zur kleinsten waren alle etiquettirt und numerirt. In der Mitte des Saales befand sich ein Tisch, an dem viele bebrillte Herren von ernstem und gelehrtem Aussehen saßen. Sie beschäftigten sich damit, Püppchen anzufertigen nach Vorlagen der Bilder berühmter, bekannter, halb- bekannter oder auch vergessener Dichter und Schriftsteller.
Wenn die Püppchen vollendet waren, verglich Jeder die seinen mit denen der Anderen, und nun begannen Verhandlungen über die Ähnlichkeiten und Unähnlichkeilen dieser Nachbildungen und über den Platz, der ihnen anzuweisen sei. Jeder einzelnen wurden Buchstaben und Nummern auf den Rücken gemalt, und die Sortirung begann, und jedes Püppchen wurde in das ihm zukommende Fach gethan.
— Man erlebt doch alle Tage etwas Neues an Ausstattung der Waare, dachte die Köchin und wollte schon eine Stange Vanille im Goethe-Kostüm verlangen, als die Gesichter der Herren am Tische sich beängstigend verdüsterten.
»Wir müssen endlich zum Beschluß über die Gefangenen kommen,« sagten sie, und winkten einem Saaldiener, der eine Hühnersteige vor sie hinstellte, in welcher sich ein halbes Dutzend lebendiger Gestalten, Männlein und Weiblein, befand. Sie trugen theils ländliche, theils städtische Tracht und verbreiteten einen frischen Harz- und Erdgeruch, der den Herren so unangenehm war, daß sie sich die Nasen zuhielten. Dann entnahmen sie dem Käfig eines der zierlichen Wesen nach dem anderen. Ein Messen begann, ein Wägen, ein Versuchen, sie unterzubringen in das richtige Behältniß.
Aber sie paßten nirgends hin; Fächer und Lädchen, so viele ihrer waren, erwiesen sich als zu groß oder zu klein, als zu breit oder zu schmal für die eigenthümlichen Erscheinungen. Die Herren waren rathlos und fragten: »Was soll man anfangen mit solchen Mißgebilden, die sich in gar keine Kategorie eintheilen lassen?«
Da trat die Köchin vor, stellte ihren Korb auf den Tisch und sprach: »Gebt sie mir da herein, ich bringe sie meinen Kindern zum Spielen mit.« Gern wurde ihr willfahrt; auf ihre Bemerkung jedoch, sie glaube einen Gewürzladen betreten zu haben, mit Strenge geantwortet: „Würzig sei hier nichts, und sie befände sich in einem Taxirungs-Bureau."
Sogleich sagte sie, daß sie nicht länger stören wolle, und ging hinweg. In ihrem Korbe aber erhob sich plötzlich ein wunderlieblicher Gesang. Von selbst öffnete sich der Deckel, und die Gestalten schwebten heraus. Sie hatten Flügel bekommen, wuchsen und wuchsen in der frischen Lust und schwirrten umher wie Lerchen. Ihre Lieder weckten ein Echo in den nahen Bergen.