„Wieviel Taillenweite hast du, Grete?“
„Achtundvierzig Centimeter.“
„Und du, Mary?“
„Fünfzig.“
„Und du, Ella?“
„Siebenundvierzig Centimeter.“
„Gott, wie schön! Siebenundvierzig!“
„Du schnürst dich, du! Das ist unschön, Künstler sagen, es sei häßlich.“
„Ja, nur — hm, ich habe mit einem Leutenant getanzt, was versteht ihr?“
„Natürlich, der schnürt sich selber, so darf er es an dir nicht tadeln.“
„Weißt du,“ sagte die bisher schweigsam[S. 10] dasitzende kleine Sophie, „du wirst, wenn du heiratest, keine Kinder bekommen können.“
„Das will ich auch nicht, da würde ich meine Taille verlieren.“
„Ja, also wozu willst denn du auf der Welt sein?“
„Zum Tanzen, Schönanziehen, Rudern, Reiten.“
„Und du willst kein kleines Kind, das dich anschaut mit Augen, die sagen: liebe Mami, ehe es noch sprechen kann.“
„Nein! denn ich kann den Kinderlärm nicht vertragen und dann — die Taille...“
„Ja,“ meint Sophie, „deine Taille wirst du behalten, aber dein Gesicht wird alt werden. Dann wird auch dein Leutnant trotz deiner Taille nicht mehr mit dir tanzen wollen. Du aber wirst allein sein, wie andere.“
„Ihr sprecht Unanständiges,“ sagte Mary. „Wenn ihr noch von euren Courmachern sprechen würdet, aber vom Kinderbekommen, wovon wir noch gar nichts wissen sollen.“
„Ihr wißt es ja doch,“ sagte Sophie.[S. 11] „Na, aber man thut so dergleichen, aus Anstand!“
„Was soll denn da Schlimmes daran sein, Mary? An eine liebe Mutter zu denken, die Tag und Nacht bei ihrem Kindchen wacht und seinen kleinen hilflosen Leib pflegt, während die anderen tanzen und sich freuen.“
„Du regst immer Gespräche an, die nicht sein sollen, Sophie. Sieh, in keinem Roman steht von kleinen Kindern, sondern immer nur von der süßen Liebe. Aus Anstand, weißt du!“
Die kleine Sophie mit den ernsten, verträumten Augen: „Nein, nicht aus Anstand, ich weiß eigentlich nicht warum. Es ist — hm! vielleicht, weil die Männer die Bücher schreiben. Sie wissen nicht, wie süß ein kleines Kind ist.“
Ella: „Aber es schreiben doch auch Frauen.“
Sophie: „Ja, aber die trauen sich nicht. Sie schreiben, wie sie es von den Männern gelernt. Ihre Seelen kriechen erst aus ihrem Leib heraus und in ein Mannesgehirn hinein, dann erst schreiben sie.
Die Lieben aber, welche die Kinder gern[S. 12] haben, die schreiben nie. Die sitzen zu Hause und heißen Mami und pflegen das liebe Kind, daß es dereinst ein ordentlicher Mensch werde.“
Mary: „Laß es gut sein. Du bist noch zu kindisch. Erzähl, Ella, von deinem Leutnant.“
Sophie leise in ihren Gedanken: Was haben sie von ihrem Rudern, Reiten und ihren Leutnants? Alle Tage dasselbe Einerlei.
Ich aber möchte blühen wie die Erde, die Bäume bringt, kleine, die wachsen und schön werden. Ich möchte ein kleines Kindchen. Lieben wollt ich das Süße, bevor ich es noch sähe. Lieben und schützen. Es soll einmal ein großer Mann werden, ja, so berühmt wie noch niemand...
— — — — — — — — — —
„Sophie, Mary, Ella, schnell, wir haben Erlaubnis, in den Cirkus zu gehen. Kommt, die Gouvernante geht mit.“
Alle ziehen sich an.
Sophie: „Ich danke euch, ich kann jetzt nicht mitgehen.“
[S. 13]
„Warum?“
„Ach! laß sie, den launenhaften Spielverderber.“