Wie die Sonne aus dem Meere
Ihre Strahlen weiter sendet,
So zieh'n im Gedankenheere
Sie, bis ihre Bahn vollendet.
Sinken in die Wasser nieder,
Kommen mit der Sonne wieder.«
So schwebten sie hin über das Häusermeer der Riesenstadt. Die schönen Frauen glichen sich eine der andern so, daß man sie nicht unterscheiden konnte, und das Gesellchen hätte gar zu gern gewußt, wer sie seien.
Der Mann sah mit verschränkten Armen den Zug an sich vorüber wallen, musterte mit kritischen Augen die weißen Nixenglieder, lächelte vertraulich dem schönen Frauenpaar zu. – Da war es dem Gesellen, als habe die eine listig gewinkt, die andere nur milde gelächelt. Aus dem Nebel, der sie umwogte, aber tönte das Lied der Hammerschmiedsgesellen:
»Mir könn' dhun, mir könn' treiben, mir könn' loss'n, was mer wöll'n!«
»Ja, ja,« nickte der Mann, »wenn's alle Hammerschmiedsgesellen wären! Aber doch, kleines Wurm, wissen auch sie nicht genau, gerade wie du und alle die andern es gar nicht wissen, wer von den beiden lieben Frauenzimmerchen da – die Wahrheit und welches die Lüge ist.«
Als er das sagte und der kleine Schmiedsgeselle flehend die Arme hob, da schauten die beiden herrlichen Frauen zurück – die eine milde lächelnd:
»Du bist die Wahrheit!« jauchzte der Geselle.
Da hob die andere sachte und ernst den Finger an den Mund. –
Und der Geselle barg das Gesicht in die Hände und weinte.
Als er wieder aufschaute, sah er den Mann vor dem Champagnerkorken stehen und Zwiesprache halten mit einem nackten, kleinen Schlingel, der rittlings auf dem einen goldenen Pfropfen saß, Bogen und Köcher umgehängt hatte und blutrote Pfeile nach allen Richtungen verschoß; sein Krauskopf glänzte voll goldener Locken und trotz der Lachgrübchen saßen ein paar bitterernste Augen in dem jungen Gesicht.
»Ich bin echt!« sagte er und zielte auf den Gesellen, und dem wurde es plötzlich ganz leicht um's Herz. Da lachte der kleine, nackte Bub ein tolles, befreiendes Lachen, und der Mann fiel ein, und das Gesellchen mußte mitlachen, bis ihm die Thränen aus den Augen liefen.
Dicht hing der Nebel herunter. Die Wolken rieben sich die Fußsohlen an den Champagnerkorken. Rauch, schwerer, schwarzer, lichter, semmelblonder stieg auf aus allen Schlöten. In der Ferne sah der Geselle einen silbernen Streifen, auf dem ein Mövenflügel blitzte. Ein dumpfes Gegroll wogte zu ihnen herüber. Ein Amboßschlag dröhnte.
Fest mit den Füßen aufstampfend, ging der wunderliche Mann mit dem kleinen Schmiedegesellen viele Stufen hinab, und es klang, als ob jede Stufe knurrte:
»Hammerschmiedsg'söll'n – dhun, was mer wöll'n!«
Unten angekommen, sah der Mann wieder aus wie ein gewöhnlicher Europäer, und die Stube, in die sie eintraten, wie eine ganz gewöhnliche Kaufmannsstube.
»Hör',« sagte der Mann zu einem andern, der da saß und schrieb, »wir müssen die Champagnerpropfen da oben an dem Dach neu vergolden, die hat der Nebel ganz blind gemacht.«
Der andere nickte und schrieb weiter.
Der Mann aber sah den kleinen Schmiedegesellen an und zupfte sich an den spitzen Oehrchen. Und dann lachten sie.