»Mutter, jetzt ziehe ich in die Welt hinaus, dem Sonntag nach, und komme nicht eher wieder, bis ich ihn eingeholt habe.«
Frau Sehnsucht legte ihre weißen Hände auf sein lockiges Haupt und küßte ihn. Dann schloß sie die schönen, traurigen Augen für immer.
Der Geselle aber zog in die Welt hinaus. Er sah die goldene Sonne am Himmel stehen und er sagte: »O Sonne, güldene Sonne du – ich suche, suche immer zu. Zeig mir den Weg, wohin ich geh', o Sonne, güldene Sonne du!« Aber die Sonne lachte ihn aus und antwortete nicht und ging weiter, immer weiter, bis er sie zuletzt gar nicht mehr sehen konnte. Da kam er in einen großen Wald, darin reichten die Bäume bis in den Himmel, seltsam große Blumen standen am Wege und sahen ihn an, und bunte Vögel flogen sprechend von einem Ast zum andern.
»Sagt mir's, ihr Bäume, duftet, Blumen, rauscht mir's, ihr Winde, murmelt, ihr Quellen – wie fange ich es an, daß ich ein Sonntagskind werde?« rief der Geselle.
Da kicherte und lachte es an allen Ecken und Enden. Schelmische Mädchengesichter tauchten aus den Kelchen der seltsamen Blumen empor und nickten ihm lächelnd zu. An den Schlinggewächsen turnten winzige nackte Engelsbübchen, die warfen mit duftenden Blütenblättern nach ihm, und ein Rauschen und Raunen zog durch den ganzen Wald, daß der Geselle gewiß alles erfahren hätte, was er wissen wollte, wenn er nur eine Viertelstunde später auf die Welt gekommen wäre. Zuweilen war es ihm wieder, als verstände er ein paar Worte, und horch! klang's nicht im Windesrauschen, wie: Bis an's Ende der Welt? Kopfschüttelnd ging der Geselle weiter.
Da wurde mit einemmal der Wald hell und licht; das kam von einem schönen Stern, der fiel vom Himmel nieder, und sieh' – der Stern nahm Gestalt an, so schön und sanft wie die Mutter ausgesehen hatte, und seine Augen strahlten still und traurig, wie die der Frau Sehnsucht. Die schöne Sternenfrau aber sprach: »Ich will dir Antwort auf deine Frage geben. Gehe weiter, immer weiter, bis du ans Ende der Welt kommst. Dort wirst du den Baum der Erkenntnis finden. Wenn du von diesem ein Blatt brichst, dann wirst du erfahren, was du wissen willst. Aber spute dich! der Weg ist weit.«
Der Stern stieg langsam auf gen Himmel, es wurde immer lichter, der Wald verschwand und der Geselle stand ganz allein auf einer großen Heide, über die der Wind pfiff.
»Bis ans Ende der Welt? – da kann ich meine Füße in die Hand nehmen, wenn ich noch ankommen will,« sagte er und wanderte fürbaß. Weil's ihm aber einsam am Wege war, sang er sich das Liedel von dem andern Gesellen:
»Ein fahrender Geselle durchzog die weite Welt,
Zu suchen nach der Stelle, wo's immer ihm gefällt.
Doch nimmer mocht er rasten, und nirgend fand er Ruh,
Ihn trieb's zum Weiterhasten, nur weiter! immer zu!