In der Tiefe des Sees ruht die Seejungfrau, regungslos, daß sie die zarten Fäden nicht zerreiße, die von dem weißen Schaum an ihrer schönen Brust aufsteigen zu dem Werk da oben. Und die Menschenseele harret der Vollendung.
Da wallt ein Zug daher über das Wasser. Nebelschleier spinnen ihn ein, daß er wie eine Wolke über dem See schwebt, und er zieht eine Bahn, silbern wie der Mond auf dem Wasser liegt. Schweigend klimmt er das Ufer hinan, wo droben der Seekönig seiner harrt, und über ihm schwebt die goldene Kuppel wie eine große Krone. – Nachts, wenn die Menschen schlafen, ergeht sich das Wasservolk oftmals am Ufer und pflegt Zwiesprache mit Mond und Sternen. – Voran im Zuge schreiten Patres mit fahlen Gesichtern in schwarzer, spanischer Mönchstracht. Sie tragen gewaltige Lasten auf ihren Schultern: Türme und Türmchen, spitze und runde, Mauern so dick wie Gefängnismauern mit tiefen Kreuzgängen und schweren Wölbungen. Sie keuchen unter ihrer Last; ein lustiges, weißes Elfengesindel kommt neckisch gesprungen und weist ihnen den Weg unter hohen Bäumen, und hilft ihnen, das wunderliche Ding, das einem spanischen Kloster ähnelt, von den gebeugten Rücken abzuladen. Da richten sich die schwarzen Geister der Patres zufrieden auf, und sie bauen mit dem geschmeidigen Nixenvolk, dessen Listen sie wohl gewachsen sind, vergnügt weiter.
Eine mächtige Gestalt schreitet auf dem Wasser; ein Gewand von Gold umstarrt sie; sie trägt einen goldenen Helm; golden leuchtet ihr strenges Antlitz daraus hervor. Siegesgewiß, siegesbewußt geht sie mit großen Schritten an dem Seekönig vorüber, ihm herablassend huldvoll zuwinkend. Der lächelt fein ihr nach, wie sie sich gravitätisch aufpflanzt inmitten all des Schönen – ein wenig zimperlich, ein wenig ungelenk. »Laßt sie nur dastehen,« nickt er, »man wird schon sehen, daß es nicht unsere wirkliche Athene ist – nur eine große, große, goldene, emancipierte Alte-Kunst-Jungfer.« – Und dann streckt er freudig seine Hände den schlanken Gestalten entgegen, die aus dem Nebel sich loslösen, einherwallen in faltigen Gewändern, die sich feucht um die herrlichen Glieder schmiegen; und sie tragen auf den stolzen Häuptern die weißen, strahlenden, wundervollen Trümmer der Heimat. »Du Land der Sehnsucht!« flüstert der Seekönig. Sie lächeln ihm zu mit den schönen, traurigen Gesichtern. Sie pflanzen Säulen in die Erde, rein und schön, wie sie selber, sie breiten die Hände aus, und eine erhabene Harmonie lagert sich über der Wunschstadt. Sie erheben die kraftvollen Arme und sprechen: »Du lässest uns, o Vater Zeus, die Schönheit schauen, nicht zertrümmert, nicht zerschlagen, nein, in ihrer ganzen siegenden Gewalt.« – Und demütig neigen die Karyatiden die stolzen Häupter unter der Last der Schönheit, die sie tragen.
Wunderlich Volk zieht im Zuge einher, der übers Wasser wallt. Ein kleiner, nackter Bub, der nur einen Frack und Cylinderhut trägt für seine Blöße, bietet zierlich einer Rokokodame den Arm, die gar stattlich in Hackenschuhen und Reifrock mit einer Trikolore auf dem hochfrisierten Köpfchen einherstolziert: »Wir sind barock, nicht wahr?« nickte der kleine Schelm dem alten Seekönig zu. – »Wir, Puck Amor und Dame la France!« – In einem muschelförmigen Wagen, schimmernd von Gold und Edelgestein, kommt ein ernsthafter Mann. Er hat ein braunes Gesicht, aus dem seltsam überirdische Augen schauen, trägt nur einen schlichten, weißen Kaftan um die Hüften gegürtet, und doch neigt Seekönig sich tief vor ihm, und eine zarte, braune Elfe, schön wie des Gottes Bajadere, geheimnisvoll wie die Wunder Indiens, gleitet vor ihm her, ihm seinen Wohnort zeigend. –