So ist die kleine Tanne zum Weihnachtsbäumchen geworden, wie die Waldfee sagt – denn da unten im Thal feiern sie Weihnacht – –
»Was ist das?« fragten zwei neugierige kleine Schneeflocken, die sich angefaßt hatten und mit ihren zarten, weißen Gliederchen auf den Zweigen der alten Tanne auf und nieder wippten.
»Ja, was ist das!« sagte die alte Tanne, »Wintersonnenwende nennen wir's, und die Waldfee sagt: Jetzt wacht die Sonne auf und nun beginnt tief unten in der Erde das Keimen und Wachsen, bis es schließlich herauf dringt zu uns und die ganze Welt erfüllt. Aber da unten im Thal nennen sie's Weihnacht und sagen, die Liebe wäre ihnen geboren – und dann schmücken sie das Tannenbäumchen mit vielen, vielen Lichtern und zünden sie an, daß man meint, der ganze Baum stände in Flammen, und läuten mit ihren Glocken dazu – da – hört Ihr's?«
»Bim bam bum!« singen die kleinen Schneeflocken, »da möchten wir hin!« und sie bitten den Wind: »Wind, fahr' uns hinab!« – Der breitet seine großen, weißen Schwingen aus, die beiden Flöckchen klammern sich mit ihren vielen Fingerchen daran fest und nesteln sich in ihren Zottelpelzen tief in die Fittige ein, und heidi! da ging's zu Thale.
»Grüßt mir das Tannenbäumchen!« rief die alte Tanne ihnen nach – und sie brummte in den Schneemantel hinein, der sich allgemach um ihre starken Glieder gelegt hatte: »Komisches Volk, diese Menschen! Mußte ihnen die Liebe erst geboren werden? Ist sie denn nicht so alt, wie die Welt steht?«
Und dann schüttelte sie ihre Nadeln, daß die Schneeflocken, die schon darauf eingeschlafen waren, erschrocken in die Höhe fuhren.
Die beiden neugierigen Schnee-Engelchen aber flogen zu Thal, und der Wind war bös und pfiff ihnen in die kleinen Ohren, daß es gellte: Puh – da unten ist's schlecht. Was wollt Ihr bei den Menschen? Entweder sie ballen Euch zusammen und werfen sich mit Euch gegenseitig an die Köpfe, oder sie kehren Euch auf einen Haufen, daß ihr ganz schmutzig werdet und die Sonne Euch aufschmilzt – umkommen thut Ihr jedenfalls!
Doch da waren sie schon im Thal angelangt, vor einem großen, schönen Hause; das lag still und dunkel und allein. Nur aus einem Fenster schimmerte ein roter Schein, dahin flog der Wind, und sieh'! von dem Fenster her grüßte und winkte es den Flöckchen entgegen – das waren ihre basen, die Eisblumen, die an den Glasscheiben in die Höhe wuchsen und allerlei wunderliche Gestalten angenommen hatten, und die Flöckchen setzten sich zu ihnen und guckten in's Haus hinein. Da drinnen ist's prächtig: ein hohes, weites Gemach, und aus einem großen, weißen Marmorkamin flutet der rote Feuerschein drüber hin, über den Tannenbaum, der schön geschmückt und glänzend dasteht, über die vielen bunten Spielsachen und all die kleinen Figürchen, die da unter'm Tannenbaum ihr Wesen treiben.
Die Eisblumen erzählten, wie schön es gewesen sei, als das Tannenbäumchen ganz in Flammen gestanden und die Kinder um es herumgesprungen wären und gelacht und getollt und gejubelt hätten. Dann haben sie die Lichter gelöscht und ein Duft ist durch das Zimmer gezogen, so würzig, so zart, so wunderstark, noch riecht's in allen Ecken darnach –