Die Schneeflocken haben Ball heute Abend. Hei! Wie sie sich schwingen in tollem Reigen da oben auf den Bergen, wie sie durcheinander wirbeln und auf und niederspringen, daß einem ganz schwindelig wird beim Hereinschauen. Und der Wind spielt ihnen auf dazu; er saust durch die Tannenwipfel und schüttelt die Kronen der alten Waldriesen, daß sie die Zweige pfeifend gegen einander schlagen; er braust durch die Schluchten und gellt durch die Felsenklüfte, daß es fast wie Hohngelächter klingt, er singt ihnen ein Nordlandslied, wild wie sein Brausen und Toben. Er singt ihnen von den eisigen Gletschern da oben im Norden, und von der Eisjungfrau, die da haust mit Augen, klar und doch unergründlich, wie der Bergsee; er singt, wie sie mit schrillem Lachen die weißen Arme ausbreitet und an den Schneewänden ihres Eispalastes rüttelt – dann stürzen die Lawinen krachend zu Thal und begraben das Menschenvolk da unten. Von den lustigen Gesellen, den Eisbären, erzählt er, seinen Freunden, wie sie im täppischen Tanz umeinander sich drehen, fast wie riesengroße, weiße Schneeflocken, daß es gar komisch anzusehen ist; und von den Schiffen, die zwischen den Eisblöcken stecken, und den Menschen darauf, deren heißes Menschenherz langsam zu starrem Eise wird; von den flimmernden, glitzernden, funkelnden, kalten Sternen da oben am Himmel, die todesruhig lächelnd herniederschauen; von dem Nordlicht, das aufflammt mit trotziger Glut und der Eisjungfrau auf ihrem Gletscher einen rosigen Schleier überwirft, aus dem sie herauslächelt, fast wie ein Menschenbild – so lockt sie die Menschen an, die kühnen Jäger, und sie steigen hinauf zu ihr, immer höher und höher, und sie winkt ihnen und lächelt süß, verheißend – und dann stürzt sie die thörichten Gesellen hinab, in die eisige Tiefe. – Hoiho! jauchzt der Wind, wild ist mein Nordlandslied! Wild, wie der Eiskönigin Lachen, wie der Lawinendonner! Und hoch empor wirbelt er die armen Flöckchen, bis sie sich ermattet an den Tannenzweigen festklammern.
Da ist's gut ruhen; sie schmiegen sich eng an die Nadeln hin – die flüstern und kosen mit ihnen, die wiegen sie hin und her und erzählen ihnen Waldmärlein: von dem naseweisen Tannenbäumchen, das gar nicht zufrieden gewesen damit, daß es im schönen grünen Wald gewohnt und die Füßlein im weichen Moos gebettet hat; gelangweilt hat es sich auf seinem heimatlichen Stückchen Erde und hat hinausgewollt in die weite, weite Welt und gejammert und geschluchzt: O Wind, nimm mich mit! O Quell, rausch' mich zu Thal!
Da hat mit einemmal die Waldfee vor ihm gestanden im grünen Gewand und lockigen Haar, hat es mit den Blumenaugen angeschaut, mit den zarten Händen berührt und gesagt: »Geh', mein Bäumchen, reise zu Thal. – Sie werden Dir weh tun, Dich von Ort zu Ort schleppen, und doch bringst Du ihnen von den Bergen herunter die Sehnsucht mit – den Tannenduft, damit sollst Du ihnen die Seele erfüllen, daß sie gut werden und sich freuen wie die Kinder.«
Dann hat sie das Bäumchen geküßt und ist im Wald verschwunden. –
Danach sind eines Tages zwei Männer gekommen und haben sich das Tannenbäumchen von allen Seiten angeguckt und zufrieden mit den Köpfen genickt. Dann haben sie ihre Pelzkappen zurückgeschoben und sich die Hände gerieben und die blanken Aexte genommen und haben die Füßchen der Tanne geschlagen, daß es durch den Wald gedröhnt hat, haben sie zur Erde geworfen, ihr einen Strick um den Leib gebunden und sie hinter sich hergeschleift über Stock und Stein, durch Schnee und Eis. Und das Tannenbäumchen hat leise vor sich hingeweint, und die großen Bäume auch; aber die Männer haben das nicht gehört, die meinten: Horch – wie der Wind pfeift!