Klein Hildegard wollte zur Schule gehn,
Da blieb am Walde sie sinnend stehn;
Der sah sie mit winkenden Augen an,
Die Vöglein lockten aus dem Tann:
»Klein Hildegard, komm, so schön ist's hier,
Wir rauschen Dir Märchen, wir singen Dir
Von Elfenkönigs goldenem Thor
Viel Süßes, Geheimnisvolles ins Ohr;
Wir singen Dir von des Nixen Spiel –
Tief unten im Wasser, da weint er so viel.
Wir streuen Dir duftende Blumen umher,
Der Wind regt die Zweige, brausend wie's Meer.«
– Doch Hildegard richtet sich ernsthaft auf
Und schickt sich wieder an zum Lauf:
»Zur Schule, zur Schule!« die Mutter spricht,
»Im Walde spielen, das darfst Du nicht!«
Da fällt, plumps! von dem Tannenast
Ein Zapfen auf das Näschen fast:
»Au! böse Tanne!« schilt das Kind,
»Bist unartig, wie Kinder sind!
Willst mir wohl gar was sagen, gelt? –
Ei nun, so rede, wenn's gefällt!«
Lieb schmiegt klein Hilde sich heran
Zum rauhen Stamm der alten Tann.
Vergessen ist Schule, der Mutter Gebot –
Ja, Sonntagskinder machen viel Not. –
Vom Tannenbaum fall'n – tip, tip, tap,
Die würz'gen Nadeln sacht herab.
Und, wie sie rieseln, wie sie fallen,
Hört Hilde Stimmchen draus erschallen,
Die lullen's Kindchen kosend ein
In seltsamliche Träumerein;
»Zur Schule geh', mein liebes Kind,
Doch da nicht, wo die andern sind.
Geh' Du zur Schule in dem Wald;
Was Du da lernst, vergißst Du nicht bald.
Denn hier im Wald, da lernst Du verstehn,
Was Bäume rauschen und Blüten verwehn;
Warum am ewigen Himmelszelt
Die Wolken ziehen über die Welt;
Was Blumen duften, Vöglein singen,
Was Bächlein murmeln, Stürme klingen – –
Was unsere ganze schöne Welt,
Die kunterbunte, zusammenhält – – –