Sportgeschichten：Die Fußball Weltmeisterschaft

Langsam zog Hansi seine Jacke aus. Dabei ließ er den Junge vor sich keine einzige Sekunde lang aus den Augen. Er hob sie langsam über seinen Kopf und schleuderte sie dann kraftvoll zu Boden.

»Mensch, Hansi,bist du bald fertig?« Ein Mädchen, dass nur wenige Meter weiter hinter ihm stand, zerstörte diesen bedeutenden Moment. »Können wir nicht einmal ein Fußballspiel beginnen, ohne dass du gleich eine Show abziehst?«

Hansi stöhnte genervt, verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf. »Mensch, Anna. Was soll das denn immer? Ich war gerade so gut dabei. Und das ist nicht nur irgendein Fußballspiel. Hier geht es um die Weltmeisterschaft. Nicht mehr, nicht weniger.«

Mehrere Kinder folgten Hansis Beispiel und legten ihre Jacken auf den Boden des Wendehammers am Ende der Straße, wo sie sich jeden Nachmittag nach der Schule trafen. Damit hatten sie schon mal die Ecken und die Tore abgesteckt. Das Turnier konnte starten.

Sie hatten sich in sechzehn Nationalmannschaften aufgeteilt. Natürlich gab es bei weitem nicht so viele Mitspieler auf der Straße. Dafür spielten ein paar von ihnen gleich in zwei Mannschaften nacheinander.zum

In den nächsten Stunden spielten sie eine Partie nach der anderen, bis am Ende Brasilien und Frankreich in einer dramatischen Begegnung mit einem sieben zu sieben in die Verlängerung gehen mussten. Doch geschah erst die wirkliche Katastrophe. Die Mütter der Jungs und Mädchen steckten ihre Köpfe durch die Fenster und riefen zum Abendessen. Das 42. Turnier musste beendet werden.

 

Am nächsten Nachmittag war Hansi mit seiner Mutter in der Stadt zum Einkaufen unterwegs. Der Parkplatz, der eindeutig schon bessere Zeiten gesehen hatte, war überall rissig. Um den Weg zum Supermarkt interessanter zu gestalten, versuchte Hansi, nur auf die Flächen zwischen den Rissen zu treten, was ihm aber nicht immer gelang, denn manche von ihnen waren sehr weit auseinander, andere reihten sich so schnell hintereinander auf, dass man mit einem Fuß nicht dazwischen kam, da reichte es nur für einen Zeh. Schließlich ging es in den Supermarkt, wo Hansi nicht nicht von der Seite seiner Mutter wich. Er fand das immer sehr übertrieben, wusste aber auch, dass sie es nicht mochte, wenn er den Laden auf eigene Faust erkundete. Am Ende bekam er dafür aber auch ein Überraschungei und einen Micky Maus Comic, mit dem er nach fünf Monaten endlich seine Sonderserie vervollständigen das konnte.

Das Überraschungsei war aber noch etwas interessanter. Hansi hatte ein verdammt gutes Gefühl dabei. Es handelte sich dabei bestimmt um das legendäre siebte Ei das jeder finden wollte.

Auf dem Weg zurück zum Auto sprang Hansi wieder von einer rissfreien Fläche zur nächsten, konzentrierte sich aber nicht mehr so sehr darauf wie auf dem Hinweg. Er war zu sehr damit beschäftigt, die bunte Folie vom Ei zu puhlen und die Schokolade zu verputzen. Während er ganze sieben Mal auf einen Riss trat, holte er Donald Duck aus dem gelben Ei. Er riss die Augen und jubelte laut. »Noch eine Serie vollständig. Das muss mein Glückstag sein.«

»Bist du dir da wirklich so sicher?«

Hansi sah überascht auf und blickte in die Augen von Paul, der ihm noch am gestrigen Abend als Brasilianer gegenüber gestanden hatte, während er selbst für Frankreich gespielt hatte.

»Ja, allerdings. Das ist mein Glückstag. Brauchst du Beweise?«

Nun war es Paul, der Hansi mit seinen Augen fixierte und seine Jacke wie in Zeitlupe auszog. Er warf sie kräftig auf dem Boden und markierte damit einen Torpfosten. Der zweite sollte, mangels weiterer Jacken von Mitspielern ein stehen gelassener Einkaufswagen sein.

Hansi nickte ihm stumm zu und ließ das nun leere Überraschungsei auf den Boden fallen. »Mama, du kannst schon mal zum Auto gehen. Das hier dauert nicht lange.«

Er trat gegen das gelbe Ei, stürmte vor. Paul lief ihm entgegen, wollte seinem Gegner das ungewöhnliche Spielgerät vom Fuß nehmen, wurde aber von Hansi gekonnt umspielt. Hansi schoss. Das Ei rollte ins Tor.

»Und damit gewinnt Frankreich acht zu sieben und wird Weltmeister.«

Die Jungs klatschten sich grinsend ab. »Beim nächsten Mal geht der Titel aber wieder an meine Mannschaft.«, rief Paul, während Hansi schon zum Auto lief.

 

Einen Tag später standen sich schon wieder gegenüber. Die 43. Weltmeisterschaft fand nun auf dem Spielplatz statt. Zwischen grün bewachsenen Thujabüschen machte das besonders viel Spaß. Immer wieder hatten die Kinder von den süßen Früchten genascht und sich damit beworfen. Entsprechend fleckig waren nun auch ihre Trikots. Am Ende gewann Deutschland mit sechs zu drei gegen Argentinien. Ein grandioses Spiel, dass Hansi und Paul aber nur als Zuschauer genießen konnten. Sie waren beide mit ihren Mannschaften schon in einer vorherigen Runde ausgeschieden.