Am nächsten Morgen sagte der Scheuch: „Gratuliert mir! Ich gehe jetzt zu Oz und bekomme zu guter Letzt doch noch meinen Verstand. Wenn ich zurückkomme, werde ich sein wie jeder andere Mensch auch.“ „Ich habe dich immer gern gehabt, so wie du bist“, sagte Dorothy schlicht. „Das ist sehr lieb von dir“, antwortete der Scheuch. „Aber ich bin sicher, dass du viel mehr von mir halten wirst, wenn ich erst ein begabter und brillanter Kopf bin.“ Dann verabschiedete er sich von seinen Freunden, ging zum Thronsaal und klopfte an die Tür.
„Herein!“ rief der Zauberer. Der Scheuch betrat den Thronsaal und fand den kleinen alten Mann in Gedanken versunken am Fenster sitzend. „Ich komme wegen meines Verstandes“, sagte der Scheuch schüchtern. „Ach ja“, nickte der Zauberer. „Nimm doch bitte Platz! Verzeih, dass ich dir den Kopf abnehmen muss. Aber anders geht es nicht, wenn dein Gehirn an der richtigen Stelle sitzen soll.“ „Das ist schon in Ordnung“, antwortete der Scheuch. „Nimm mir ruhig den Kopf ab. Das ist kein Problem für mich, solange er hinterher ein besserer und klügerer Kopf ist als vorher.“
So trennte der Zauberer den Kopf des Scheuchs ab und nahm alles Stroh heraus. Dann ging er in das kleine Hinterzimmer, nahm eine Portion Kleie und mischte Nadeln und kurze Nägel hinein. Er mischte alles sorgfältig und füllte die Mischung in den Kopf des Scheuchs. Für den Rest nahm er frisches Stroh und stopfte damit den Kopf des Scheuchs fest aus. Er kehrte zum Scheuch in den Thronsaal zurück und befestigte den Kopf wieder an der alten Stelle. „Mit deinem brandneuen Verstand wirst du sicher ein berühmter Mann werden“, sagte Oz zum Scheuch. Der Scheuch war voller Freude und voller Stolz. Sein größter Wunsch war in Erfüllung gegangen. Er hatte nun einen Verstand. Überschwänglich bedankte er sich bei Oz und rannte dann so schnell er konnte zu seinen Freunden.
Dorothy musterte den Scheuch gründlich. Sein Kopf schien vor lauter Verstand nahezu ausgebeult. „Wie fühlst du dich?“ fragte sie. „Ich fühle mich wirklich klug“, antwortete der Scheuch ernsthaft. „Wenn ich mich an meinen Verstand gewöhnt habe, dann weiß ich sicher alles.“ „Warum schauen jetzt all diese Nadelspitzen aus deinem Kopf?“ fragte der Holzfäller misstrauisch. „Das ist der Beweis für seinen besonders scharfen Verstand“, meinte der Löwe. „Dann muss ich jetzt zu Oz gehen, damit ich mein Herz bekomme“, rief der Holzfäller und lief zum Thronsaal.
Er klopfte an die Tür und Oz rief „Herein!“ „Ich komme wegen meines Herzens“, sagte der Holzfäller. „Ach ja“, erwiderte Oz. „Aber ich muss ein Loch in deine Brust schneiden, damit ich das Herz an die richtige Stelle bringen kann. Hoffentlich tue ich dir nicht weh.“ „Ach nein“, meinte der Holzfäller. „Ich werde bestimmt nichts fühlen.“ Oz nahm eine Blechschere zur Hand und schnitt ein kleines Loch in die eine Blechschere zur Hand und schnitt in die Brust des Holzfällers auf der linken Seite ein kleines Loch.
Dann holte er aus einer Kommode ein wunderschönes Herz hervor. Es war ganz und gar aus Seide und mit Sägemehl gefüllt. „Ist es nicht hübsch?“ fragte er den Holzfäller. „Ja, es ist wirklich hübsch. Aber ist es auch ein freundliches Herz?“ fragte der Holzfäller besorgt. „Aber natürlich“, beruhigte ihn der Zauberer. „Das freundlichste Herz, das ich finden konnte.“ Er steckte das Herz in die Brust des Holzfällers und lötete das Loch wieder zu. „Ich setze zur Sicherheit noch einen Flicken drauf. Es wird nicht besonders schön aussehen, aber es wird halten. Immerhin hast du dafür nun ein Herz, auf das jeder stolz sein könnte.“ „Vergiss’ den Flicken! Ich bin dir so dankbar. Nie werde ich vergessen, was du für mich getan hast.“ Der Holzfäller war überglücklich und umarmte Oz. „Sprechen wir nicht mehr davon“, wehrte der ab. Der Holzfäller verabschiedete sich und ging zu den Freunden zurück, die ihn zu dem neuen Herzen beglückwünschten und ihm für die Zukunft alles Gute wünschten.
Dann ging der Löwe zu Oz. Wie die anderen klopfte er an die Tür des Thronsaals. „Herein“, rief Oz. Der Löwe trat ein und sagte: „Ich komme wegen meines Mutes.“ „Ach ja“, antwortete Oz. „Warte einen Moment. Ich werde ihn für dich holen.“ Er ging zu einem Schrank, langte zum obersten Fach hinauf und holte eine eckige grüne Flasche herunter. Den Inhalt der Flasche goss er in eine wunderschöne grün-goldene Schale und stellte sie vor den Löwen. Der feige Löwe schnüffelte misstrauisch an der Flüssigkeit.
„Trink“, sagte Oz. „Was ist das?“ fragte der Löwe. „Nun ja“, Oz wiegte seinen Kopf hin und her. „Wenn du es hinunter geschluckt hast, wird es Mut werden. Du weißt doch, dass Mut immer von innen kommt? Also kann es auch erst Mut genannt werden, wenn du es hinuntergeschluckt hast. Deshalb sage ich dir: Trink, und zwar so bald wie möglich!“ Da zögerte der Löwe nicht länger und trank die Schale mit einem gewaltigen Zug leer. „Wie fühlst du dich jetzt?“ erkundigte sich Oz. „Ich platze fast vor Mut“, fauchte der Löwe und lief selig zu seinen Freunden zurück und berichtete gleich von seinem Glück.
Oz blieb allein im Thronsaal zurück. Lächelnd dachte er daran, wie er dem Scheuch, dem Holzfäller und dem Löwen das gegeben hatte, was sie glaubten, sich am meisten wünschen zu müssen. „Was soll ich denn tun?“ murmelte er. „Immerzu muss ich Dinge tun, die man nicht tun kann, es sei denn, man ist ein Zauberer. Ich muss doch schwindeln. Dabei war es ein Kinderspiel, den Scheuch, den Holzfäller und den Löwen glücklich zu machen. Sie glauben, dass ich wirklich zaubern kann. Aber Dorothy nach Kansas zurückzubringen wird nicht so leicht werden, und weiß auch nicht, wie ich das schaffen soll.“