Schließlich fasste Dorothy sich ein Herz: „Hast du so gestöhnt und geächzt?“ fragte sie den Blechmann. „Ja, das war ich. Ich stöhne und ächze schon seit einem Jahr, aber bisher hat mich niemand gehört und niemand ist gekommen, um mir zu helfen“, nuschelte die seltsame Gestalt. „Was können wir für dich tun?“ Dorothy tat der Mann mit der traurigen Stimme sehr leid. „Ihr könntet die Ölkanne aus meiner Hütte holen und meine Gelenke ölen. Dann geht es mir bestimmt gleich wieder besser.“ Dorothy lief sofort zur Hütte zurück und holte die Ölkanne.
„Wo soll ich denn anfangen?“ „Bitte öle zuerst meinen Hals!“ Dorothy tat es, aber das Gelenk war so sehr festgerostet, dass der Scheuch helfen musste. Vorsichtig bewegte er den Kopf des blechernen Mannes hin und her, bis der Rost sich löste und der Mann den Kopf selbst wieder bewegen konnte. „Und nun meine Arme!“ Dorothy gehorchte, und bald konnte der Mann seine Axt aus den Händen legen. „Das tut gut“, grunzte er behaglich. „Länger als ein Jahr halte ich diese Axt nun schon über meinen Kopf. Ich bin ja mit Leib und Seele Holzfäller, aber das war doch ein bisschen zuviel.“
„Komm Holzfäller, dann ölen wir noch deine Beine und du bist so gut wie neu!“ Dorothy freute sich, dass es dem Holzfäller so schnell besser ging. Als sie seine Beine geölt hatte, konnte er auch wieder herumgehen und sich setzen. Der Holzfäller bedankte sich überschwänglich ein ums andere Mal und hörte gar nicht wieder auf, so dankbar war er für die Rettung. „Vielleicht hätte ich für immer so dastehen müssen, wenn ihr nicht vorbei gekommen wäret. Ihr habt mir das Leben gerettet, vielen Dank! Und nun erzählt mir, was ihr an einem so einsamen Ort wollt!“
Dorothy und der Scheuch erzählten dem Holzfäller, dass sie auf dem Weg zur Smaragdstadt seien und den Zauber Oz treffen wollten. „Ihr wollt den Zauberer treffen?“ wunderte sich der Holzfäller. „Warum?“ „Ich will zurück nach Kansas, zu meiner Familie“, erklärte Dorothy. „Und der Scheuch möchte den Zauberer um ein bisschen Verstand bitten.“ Der Holzfäller dachte einen Moment nach, dann sagte er: „Glaubt ihr, dass Oz mir ein Herz geben könnte?“ „Warum nicht“, antwortete Dorothy. „Was soll daran schwieriger sein, als dem Scheuch ein wenig Verstand einzuflößen?“ „Du hast Recht,“ jubelte der Holzfäller. „Dann würde ich mich gern eurer Gesellschaft anschließen und auch in die Smaragdstadt gehen, um den Zauber um Hilfe zu bitten.“ Dorothy und der Scheuch waren sehr erfreut darüber, dass der Holzfäller mit ihnen gehen wollte, und so schulterte der Holzfäller dieser seine Axt und gemeinsam gingen alle drei zurück zu dem gelben Ziegelweg. Dorothy trug die Ölkanne des Holzfällers in ihrem Korb, falls es Regen geben würde und er wieder zu rosten anfinge.
Sie waren noch nicht lange gegangen, als ein Dickicht vor ihnen auftauchte, das den ganzen Weg überwucherte und undurchdringlich schien. Wie gut, dass sie den Holzfäller bei sich hatten! Mit seiner Axt schlug und hackte er so lange unermüdlich, bis der Weg für die drei Kameraden frei war. Gemeinsam zogen sie weiter, und Dorothy war so in Gedanken versunken, dass sie nicht bemerkte, wie der Scheuch mal wieder in ein Loch in der Straße trat und der Länge nach hinschlug. Er kullerte in den Graben und blieb liegen. Erst als er um Hilfe rief, erwachte Dorothy aus ihrer Grübelei und hob ihn rasch auf. Sie entschuldigte sich, dass sie so unaufmerksam gewesen war. „Warum gehst du denn nicht einfach um das Loch herum“, erkundigte sich der Holzfäller. „Ich bin eben dumm“, antwortete der Scheuch geduldig. „In meinem Kopf ist nur Stroh, deshalb bin ich ja auch auf dem Weg zu Oz. Er soll mir mehr Verstand geben.“
„Ich verstehe“, nickte der Holzfäller. „Aber Verstand zu haben ist nicht das Wichtigste auf der Welt.“ „Hast du denn Verstand?“ wollte der Scheuch wissen. „Nein, mein Kopf ist völlig leer. Aber ich hatte mal einen Verstand und ein Herz. Weißt du, ich habe beides ausprobiert und ich möchte lieber ein Herz als einen Verstand haben.“ „Aber warum?“ Der Scheuch schüttelte verwundert den Kopf. „Passt auf, ich werde euch eine Geschichte erzählen und dann werdet ihr mich verstehen.“ Und so zogen die drei ungleichen Gefährten auf dem gelben Ziegelweg weiter, während der Holzfäller ihnen seine Geschichte erzählte.