Einige Tage und Nächte gingen vorbei. Der Fluss war ungeheuer breit hier, floss aber sanft und lieblich. Des Nachts fuhren wir; bei Tag machten wir fest und versteckten uns.
Es war ein stilles, wunderbares Leben. Eines Morgens fand ich ein Kanu und ruderte rüber zur Küste. Ich ruderte vielleicht eine Meile auf einem Nebenfluss, um irgendwo Beeren zu suchen. Da sah ich ein paar Männer, die so schnell wie möglich am Ufer lang liefen. Ich dachte schon, ich wäre geliefert. Die Angst, dass ich verfolgt würde war immer da. Ich wollte mich aus dem Staub machen, aber sie waren schon zu nah und baten mich, ihr Leben zu retten. Sie hätten nichts verbrochen, würden aber verfolgt. Männer mit Hunden wären hinter ihnen her.
Ich rief ihnen zu, dass sie noch ein wenig laufen sollten, bis zu einer flacheren Stelle, damit sie durchs Wasser waten könnten, bevor sie ins Kanu stiegen. So würden die Hunde die Spur verlieren.
Sobald sie ins Kanu geklettert waren, holte ich aus und fuhr auf die Sandbank zu, wo wir mit dem Floß festgemacht hatten. Da hörten wir auch schon die Hunde bellen. Wir kamen inzwischen immer weiter und hörten kaum noch die Stimmen der Männer. Im Baumwollgestrüpp versteckten wir uns.
Einer der Männer war ungefähr siebzig und hatte einen Glatzkopf, dafür aber einen Schnurbart. Er war in Lumpen gekleidet. Der andere war so an die Dreißig und normal angezogen. Beide trugen dicke, speckige Reisetaschen.
Nach dem Frühstück erzählten wir uns was, und da kam raus, dass die beiden Männer sich gar nicht kannten. Jeder wurde wegen was anderem von den Männern der Stadt verfolgt. Der Alte war Buchdrucker von Beruf, behauptete, außerdem Schauspieler, Wahrsager, Sänger und auch Verkäufer von Arzneimitteln zu sein. Und der andere sah sich als wandernder Mediziner, Handaufleger oder Prediger.
Für eine Weile sagte keiner was. Dann seufzte der junge Mann und behauptete, er sei eigentlich ein richtiger Herzog. Sein Urgroßvater, der älteste Sohn des Herzogs von Bridgewater, sei vor langer Zeit in dieses Land geflüchtet, um reine Luft der Freiheit schnuppern zu können. Und nun sei er verfolgt von der Menschheit, herausgerissen aus seiner hohen Stellung, verachtet von der schnöden Welt, auf diesem Floß bei Landstreichern gelandet.
Jim bemitleidete ihn sehr; ich auch. Wir trösteten ihn und fragten, was wir für ihn tun könnten, dass es ihm wieder besser ginge. Er meinte, wir müssten uns vor ihm verbeugen und ihn mit Euer Gnaden oder Mylord ansprechen; oder einfach nur Bridgewater. Außerdem sollten wir ihn bei Tisch bedienen und ihm Handreichungen machen.
Das war alles einfach und wir taten es. Der alte Mann dagegen wurde immer stiller. Er sah nicht gerade vergnüglich dem Getue zu, das um den Herzog gemacht wurde. Im Laufe des Nachmittags sagte er: "Hör mal, Bridgewater. Du magst zwar arm dran sein, aber du bist nicht der einzige Mensch auf der Welt, der solchen Kummer hat. Auch ich bin von Adel."
Jim und ich starrten die beiden an. Als der Alte dann erklärte, er wäre der letzte französische Thronfolger, waren wir total entgeistert. Er behauptete allen Ernstes, er wäre der arme verschwundene Thronfolger, der Sohn von Louis XVI. und Marie Antoinette. Er sei Ludwig der Siebzehnte!
Sie diskutierten eine Weile, ob der Wahrheit dieser Aussagen. Jim und ich wussten wirklich nicht, was wir jetzt machen sollten. Der Alte heulte und regte sich schrecklich auf. So bemühten wir uns um ihn ebenso wie zuvor um den Herzog. Wir bedienten nun auch ihn und redeten ihn mit Eure Majestät an und setzten uns erst, als er es uns erlaubte. Das tat ihm wohl und er wurde wieder fröhlich und gemütlich. Nur der Herzog schien etwas verstimmt.
Doch im Laufe des Tages versöhnten sich die beiden "Adeligen". Sie erkannten, dass sie noch eine ganze Weile auf dem Floß verbringen mussten. Jim und ich, wir waren froh, dass nun die Ungemütlichkeit wie weggeblasen war. Eine Feindschaft an Bord von einem Floß wäre nicht gerade angenehm.
Es dauerte nicht lange, bis mir klar wurde, dass die beiden weder Herzog noch König waren sondern schnöde Schwindler. Aber ich sagte nichts, sondern behielt meine Weisheit für mich. Das ist immer das Beste. So gibt es keinen Streit und keine Unannehmlichkeiten. Und wenn es ihnen Spaß machte, sich König und Herzog nennen zu lassen, so hatte ich nichts dagegen. Dadurch war Ruhe auf dem Floß.