Wir hatten uns überlegt, dass wir in drei Nächten bis nach Cairo kommen würden. Die Stadt liegt am Ende von Illinois, dort mündet der Ohio ein. Dort wollten wir unser Floß verkaufen und in die Nordstaaten trampen, wo es keine Sklaverei gibt.
Aber in der zweiten Nacht kam Nebel auf und wir steuerten auf eine Sandbank zu. Da es sinnlos gewesen wäre, im Nebel weiterzufahren, versuchte ich, das Floß festzumachen. Ich war mit dem Kanu rausgefahren, aber ich fand nichts als ein paar kleine Bäumchen. Die Strömung war so stark, dass das Floß weiter abgetrieben wurde und das kleine Bäumchen, um das ich das Tau geworfen hatte, entwurzelte. Mir wurde angst und bange. Ich sprang ins Kanu und griff nach den Rudern; wollte hinter dem Floß her. Doch ich hatte vergessen, das Kanu loszubinden.
Mit zittrigen Händen versuchte ich, den Knoten aufzupulen. Es dauerte ewig, aber dann ruderte ich mit aller Kraft hinter dem Floß her. An der Sandbank vorbei, schoss ich in eine dicke Nebelsuppe. Ich dachte schon, jetzt ist es aus mit dir. Doch dann beschloss ich, mich einfach treiben zu lassen. Es war ein schreckliches Gefühl, einfach dazusitzen und nichts zu tun. Ich rief manchmal, und von weit weg hörte ich eine Antwort. Ich versuchte, auf die Stelle zu halten, von wo die Antwort gekommen war.
Ich ärgerte mich. Jim, der Idiot, hätte ja auch mal mit der Pfanne Krach machen können. Aber er tat es natürlich nicht. Plötzlich hörte ich ein Rufen. Ich hatte inzwischen völlig die Orientierung verloren. Irgendwann merkte ich, dass die Strömung mein Kanu wieder mit der Spitze stromabwärts gedreht hatte. Dann war vor mir Jim und kein anderer Flößer. Ich hatte ja bisher keine Ahnung, wie schwer es war, im Nebel Stimmen zu erkennen. Alles hörte sich unheimlich an.
Ich hielt mich völlig ruhig und lauschte auf mein Herzklopfen. Dann bemerkte ich, dass die Sandbank gar keine war, sondern eine Insel. Und Jim musste auf der anderen Seite an derselben vorbeigetrieben sein. Ich lauschte, dabei trieb ich mit einer Geschwindigkeit von vier bis fünf Meilen die Stunde stromabwärts. Aber das habe ich gar nicht gemerkt. Der Nebel und die Dunkelheit verzerrten alles.
Schließlich wurde die Fahrt langsamer, aber ich konnte keinen Ruf mehr hören. Ich legte mich ins Kanu und wollte mich nur ausruhen. Aber später bin ich doch eingeschlafen. Als ich aufwachte, war der Nebel weg und die Sterne standen hell am Himmel. Ich trieb mit dem Steuer voran eine Flussbiegung runter. Zuerst wusste ich gar nicht, wo ich war. Bis mir wieder alles einfiel.
Ich guckte flussabwärts und erkannte, dass einer der schwarzen Flecken auf dem Wasser Jim mit dem Floß sein musste. Ich hielt darauf zu. Wie ich rankam, sah ich Jim daliegen. Das ganze Floß war mit Schlamm und Laub bedeckt. Es musste auch allerlei durchgemacht haben. Ich machte fest, legte mich vor Jims Nase auf das Floß und gähnte laut. "He, Jim, hab ich geschlafen? Warum hast du mich nicht geweckt?"
"Großer Gott, bist du es Huck? Du bist nicht tot? Komm, lass dich angucken, lass dich befühlen. Es ist wirklich derselbe alte Huck!"
"Jim, bist du besoffen? Was redest du denn für einen Quatsch?"
"Bist du wirklich nicht weg gewesen? Ehrenwort?"
"Jim, was weg gewesen. Nirgends war ich."
Da erzählte Jim vom Nebel und wie Huck das Floß festtäuen wollte. Doch ich fragte nur: "Nebel? Was für ein Nebel?"
"Ist Jim nicht auf viele Inseln gefahren und hat schreckliche Stunden verbracht? Ist Jim nicht beinahe ertrunken, Huck?"
"Jim, das musst du geträumt haben!"
Jim sah mich ungläubig an. Das konnte nicht mit rechten Dingen zugegangen sein, die Unsicherheit war ihm anzusehen. Er erzählte haarklein die Erlebnisse der ganzen Nacht und er betrachtete diesen schrecklichen Traum als Zeichen, als Warnung.
Dann zeigte ich ihm den Schlamm auf dem Floß. Jim sah darauf und dann auf mich. In seinem Gehirn sortierten sich die Vorgänge. Als ihm klar wurde, dass es tatsächlich neblig war, wurde er sehr ernst.
Jim erzählte mir, wie er Angst um mich hatte. Dass es ihm fast das Herz gebrochen hätte. Und dass ihm fast die Tränen gekommen wären, als er mich heil und gesund gesehen hatte. "Aber du hast nix anders im Kopf, als dich lustig zu machen über einen Freund!", endete er seinen vorwurfsvollen Vortrag.
Er stand auf und sagte kein Wort mehr. Ich fühlte mich so schlecht und gemein, dass ich am liebsten seine Füße geküsst hätte. Es tat mir so Leid. Ich wünschte, ich könnte das alles ungeschehen machen. Aber ich konnte mich nur schwer dazu entschließen, einen Neger um Verzeihung zu bitten. Aber ich habe es getan und es nie in meinem Leben bereut. Seitdem habe ich ihn nie mehr gefoppt. Hätte ich vorher gewusst, wie traurig es ihn machte, dann hätte ich es nie getan.