Guten Tag und herzlich willkommen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer zur 6. Ausgabe von "Typisch Helene". Heute ist der 23. April und der perfekte Tag, um über Panini-Bilder, das nationale Rauchverbot und über den neuen Mister Dumm Dumm, unseren Mister Schweiz, zu reden. Schön, sind Sie wieder mit dabei.
Seit wir denken und auf zwei Beinen gehen können, sind wir Menschen nicht nur Jäger, sondern auch Sammler. Früher haben wir Beeren und Pflanzen gesammelt [1], um neben dem Mammut-Fleisch noch ein bisschen Vitamine zu bekommen. Aber natürlich wurden damals auch Sachen gesammelt, die nicht lebensnotwendig waren. Zum Beispiel Hörner von Tieren, Schalen oder Schmuck. Und das hat sich bis heute nicht verändert. Im Gegenteil: Es gibt kaum jemand, der nichts sammelt. Mein Kollege Stefan, zum Beispiel, sammelt Notizbücher und Whisky. Eine Freundin von mir sammelt alle Informationen über Michael Jackson, meine Schwester Coop-Marken, und ich sammle Kochbücher und spezielle Weine.
Vor einer Woche ist in der Schweiz aber ein ganz besonderes [2] Sammel-Fieber ausgebrochen [3]: Die Jagd [4] auf Panini-Bilder. Sie haben diese Bilder sicher schon gesehen - oder sammeln sie vielleicht sogar selbst. Es sind Bilder von Fussballern und ihren Mannschaften [5], die an einer Europa- oder Weltmeisterschaft spielen werden. Diese Bilder werden in ein spezielles Sammel-Album geklebt, das einige Monate vor dem Turnier-Start auf den Markt kommt. Das Spannende daran ist, dass man zwar ganze Pakete von Panini-Bildern im Internet, in Geschäften oder an Kiosken kaufen kann, doch durchs Kaufen allein kaum je alle zusammenbringt. Denn die Pakete sind wie Wundertüten: Man weiss nie, was drin ist. Um sein Album komplett zu machen, muss man die fehlenden Bilder deshalb suchen und sie gegen andere eintauschen [6]. Viele Panini-Sammler tauschen ihre Bilder mit Freunden und Kollegen, es gibt heute sogar spezielle Tausch-Veranstaltungen in Clubs und Restaurants und natürlich auf dem Internet. Und glauben Sie ja nicht, dass das Bilder-Tauschen nur etwas für Kinder ist. Auch viele Erwachsene jagen den Abziehbildern [7] nach. Wundern Sie sich also nicht, wenn Sie jemand aufgeregt fragt: "Tauschst du Panini-Bilder? Mir fehlen Messi, Rooney und Streller. Hast du die zufälligerweise?" Und wundern Sie sich noch weniger, wenn Ihr Kollege oder Ihre Kollegin dabei sehr leidenschaftlich [8] wird.
Die Panini-Bilder sind zwar keine Schweizer Erfindung, sondern eine Idee der Brüder und Kioskbesitzer Panini aus Norditalien, die 1970 das erste Album auf den Markt brachten [9]. Aber es gibt wohl kaum irgendwo begeistertere Panini-Sammler als gerade in der Schweiz. Warum das so ist, hat die Wissenschaft noch nicht herausgefunden. Eines steht jedoch fest: Das Album zur Fussball-WM in Südafrika ist 72 Seiten dick und enthält 640 Bilder. Es kommen also intensive Zeiten auf uns zu.
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Intensiv werden die Zeiten aber auch noch aus einem anderen Grund - und der führt uns direkt zum zweiten Thema: Dem nationalen Rauchverbot. Ab dem 1. Mai, also schon in einer Woche, ist das Rauchen in der ganzen Schweiz in den meisten Restaurants und Bars, aber auch in geschlossenen öffentlichen Räumen sowie in Büros verboten. Das hat der Bundesrat im letzten Jahr beschlossen, und nun ist es tatsächlich so weit. Es ist ein Datum, das viele Menschen nervös macht. Denn wo bitte soll man rauchen, wenn nicht in Bars und Restaurants? Was ist das Leben wert, ohne die gemütliche Zigarre am Abend? Im Kanton Zürich zum Beispiel flehen deshalb nicht wenige Wirte [10] die Regierung um einen zeitlichen Aufschub an [11], das heisst, sie wollen noch einige Monate warten, bis die Gäste in ihrem Restaurant nicht mehr rauchen dürfen, weil sie hoffen, dass bis dahin alles anders ist. Sie hoffen, dass man dann vielleicht doch im Restaurant rauchen darf, oder dass die Polizei zugibt, dass sie einfach keine Zeit hat, um alle Restaurants und Bars zu kontrollieren und nach Rauchern abzusuchen. Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt, was geschehen wird. Und ich freue mich darauf, in Zürich, Uri oder in Luzern oder wo auch immer mein Schnitzel oder meine Thaisuppe ohne Zigarettenrauch geniessen zu können.
Mit dieser Meinung bin ich nicht allein. Zudem ist der 1. Mai für viele Leute eine gute Motivation, um endgültig mit dem Rauchen aufzuhören. So sind die Zeitungen zur Zeit voll mit guten Tipps, wie man mit dem Rauchen aufhören kann, und auch auf unserer Redaktion wird intensiv darüber diskutiert. Die überraschendste Idee kam von einer Kollegin von mir. Sie hatte von einem Tag auf den anderen mit dem Rauchen aufgehört, was mich sehr erstaunte, da sie pro Tag sicher ein ganzes Paket Zigaretten geraucht hatte.
"Wie hast du das bloss geschafft?", fragte ich sie.
"Ganz einfach", antwortete sie. "Ich werde mir in einem Monat ein Face-Lifting machen lassen. Und der Arzt hat mir gesagt, dass ich mindestens drei Wochen vor der Operation nicht mehr rauchen darf. Das fand ich super. Nun hatte ich endlich einen Grund, um mit dem Rauchen aufzuhören!"
Mit dem Geld, übrigens, das sie spart, wenn sie in Zukunft keine Zigaretten mehr kauft, will sie sich eines Tages vielleicht eine zweite Schönheits-Operation leisten, oder möglicherweise eine Kreuzfahrt [12] in der Karibik - oder endlich mal ein neues Auto. Sie habe die Qual [13] der Wahl, sagte meine Kollegin seufzend. Diese Qualen sollte man haben nicht wahr? Aber warten wir erst mal die Schönheits-Operation ab.
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An dieser Stelle hätte ich Ihnen gerne von der Landsgemeinde erzählt, einer alten, politischen Tradition in der Schweiz. Aber das werde ich nun in einer späteren Sendung tun. Denn in der Schweiz leidet im Moment jemand an ganz anderen politischen Qualen. Die Rede ist vom aktuellen Mister Schweiz, von André Reithebuch.
Sie wissen schon: Der Mister Schweiz ist der offiziell schönste Mann des Landes, genauso wie die Miss Schweiz die schönste Frau ist. Nun hat unser Mister noch einen zweiten Titel bekommen: Den Titel des Mister Dumm-Dumm [14]. Zumindest nennt ihn der BLICK so, eine grosse Schweizer Tageszeitung. "André Reithebuch hat zwar Muskeln, aber wenig Hirn", schreibt sie. "Politiker und Lehrer fordern jetzt einen Test für Mister-Kandidaten."
Was ist geschehen? In einer Fernseh-Sendung musste Mister Schweiz Fragen zu seinem allgemeinen Wissen über Frauen beantworten und blamierte sich dabei bis auf die Knochen [15]. Auf die Frage, zum Beispiel, wann Frauen denn schwanger werden können, antwortete er: "Bei Vollmond". Postnatale Depression ist für ihn "das weibliche Shoppingsyndrom" und der Mutterkuchen [16] ein "Kuchen, den man seiner Mutter zum Muttertag schenkt." Zugegeben, das ist schon peinlich genug. Aber viel schlimmer fand es der BLICK, dass sich der arme Mister Schweiz bei einem zweiten Wissenstest in einer zweiten Sendung noch einmal total blamierte: Er wusste nämlich nicht, wann der Zweite Weltkrieg stattgefunden hatte.
Nun fordert die Zeitung einen obligatorischen Wissenstest für alle Männer, die in Zukunft zum schönsten Mann der Schweiz gekürt [17] werden wollen. Denn auch Schönheitskönige müssen heute nicht nur gut aussehen, sondern auch einiges wissen. Also könnte ein solcher Mister-Schweiz-Test folgende Fragen beinhalten: Wann und wo wurde die Eidgenossenschaft [18] gegründet? Wie viele Kantone hat die Schweiz? Oder: Seit wann besteht die moderne Schweiz als Bundesstaat?
Nun, die Eidgenossenschaft wurde 1291 auf dem Rütli gegründet. Die moderne Schweiz als Bundesstaat besteht aber erst seit 1848 und hat heute 26 Kantone. Aber ehrlich gesagt, diese Fragen könnten wohl auch viele ganz normale Schweizerinnen und Schweizer nicht richtig beantworten. Und wie ist es mit Ihnen? Hätten Sie die Antworten gewusst? Die Diskussionen über einen Mister-Test sind noch immer in vollem Gang. Ob der zukünftige Mister Schweiz mehr weiss, als der alte, wird sich herausstellen. Am 8. Mai wird der neue gewählt. Bis dahin bleibt dem alten noch ein bisschen Zeit, um seinen Ruf wieder zu verbessern.
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Nach Panini-Bildern, dem nationalen Rauchverbot und unserem unglücklichen Mister Schweiz sind wir nun am Ende unserer Sendung angelangt, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer. Ich hoffe, sie hat Ihnen Spass gemacht. Am 7. Mai hören wir uns wieder auf www.podclub.ch. Dann geht es um den Streit zwischen Velofahrern und Autofahrern auf Schweizer Strassen und um neue Sportarten. Bis dahin wünsche ich Ihnen eine schöne Zeit. Auf Wiederhören.
[1] sammeln, das Sammeln, die Sammlung: viele gleiche Sachen besitzen wollen, eine Kollektion haben
[2] besonders: speziell
[3] ausbrechen: mit Kraft herauskommen; eine Grippe bricht aus, ein Vulkan bricht aus
[4] die Jagd, jagen: etwas oder jemanden verfolgen
[5] die Mannschaft: das Team
[6] tauschen, der Tausch: ich gebe etwas und bekomme dafür etwas anderes
[7] das Abziehbild: Bild, das man wie eine Briefmarke in ein Buch kleben kann
[8] leidenschaftlich: passioniert
[9] auf den Markt bringen: verkaufen
[10] der Wirt: Besitzer eines Restaurants
[11] anflehen: verzweifelt bitten um etwas
[12] die Kreuzfahrt: mit einem Schiff von Stadt zu Stadt oder Land zu Land fahren
[13] die Qual: die Tortur
[14] dumm: nicht intelligent
[15] sich bis auf die Knochen blamieren: etwas ganz Dummes sagen oder tun
[16] der Mutterkuchen: die Nachgeburt
[17] küren: auszeichnen, einen Preis verleihen
[18] die Eidgenossenschaft: die Schweiz in ihrer Urform