Die Jungen horchten sich gegenseitig ab, um die Stelle zu ermitteln, wo das Herz schlägt, dann steckten sie einander dort das rote Abzeichen an. Auf Song Gangs Plakette schwebte der Vorsitzende Mao über dem Tian'anmen, auf Glatzkopf-Lis über Meereswogen. Die Kinder frühstückten und gingen um acht Uhr aus dem Haus.
Auf den von der Morgensonne beschienenen Straßen unserer kleinen Stadt Liuzhen wehten nach wie vor die vielen roten Fahnen, groß wie Bettlaken oder klein wie Taschentücher. Auch sonst war alles so wie am Vortag: Dieselben gut gelaunten Männer und Frauen erschienen zur Demonstration; dieselben Leute waren mit ihren Leimtöpfen an den Wandzeitungs-Mauern zugange; Schmied Tong mit seinem Hammer verkündete wieder, dass er den Klassenfeinden die Hundeköpfe und Hundebeine platt hämmern wolle; Zahnreißer Yu schwenkte wie am Vortag seine Zange und drohte, den Klassenfeinden die gesunden Zähne zu ziehen; Stieleis-Wang, immer noch den Eiskasten schulternd, reihte sich in den Demonstrationszug ein und pries seine nur für Klassenbrüder und -schwestern bestimmte Ware an; Schneider Zhang, wieder mit dem Bandmaß um den Hals, rief abermals, er würde den Klassenfeinden die schäbigsten Totenkleider - oder vielmehr: Leichentücher! - schneidern; Scherenschleifer Guan der Ältere schnitt immer noch mit seiner hoch erhobenen Schere schnipp, schnapp den Klassenfeinden die imaginären Schwänze ab, während Scherenschleifer Guan der Jüngere, der ja schon am Vortag eine Stange Wasser in die Ecke gestellt hatte, erneut am Hosenschlitz nestelte. Kurz, jeder Einzelne, der am vorangegangenen Tag gegeifert, gehustet, geniest, gefurzt, gespuckt und gekämpft hatte, war selbstverständlich wieder zur Stelle.
Auch die drei Mittelschüler Sun Wei, Zhao Shengli und Liu Chenggong fehlten natürlich nicht. Als sie Glatzkopf-Li und Song Gang mit den Mao-Plaketten an der Brust erblickten, grinsten sie so schmierig, als spielten sie Kollaborateure in einem Film über den Widerstandskrieg gegen die japanischen Aggressoren, was die bei den von vornherein verunsicherte. Der langhaarige Sun Wei zeigte auf einen Strommast und fragte Glatzkopf-Li: »He, Kleiner! Was ist mit deinem Geschlechtstrieb? «
Glatzkopf-Li schwante nichts Gutes. Er wich mit Song Gang seitwärts aus und antwortete kopfschüttelnd: »Hab keinen. Jetzt nicht.« Der Langhaarige packte ihn und schob ihn unsanft zu dem Mast. »Na los!«, sagte er mit einem dreckigen Grinsen. »Mach, dass er dir kommt!«
Glatzkopf-Li versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien. »Ich hab jetzt aber keinen Geschlechtstrieb!«, rief er.
Zhao Shengli und Liu Chenggong hatten inzwischen unter großem Hallo Song Gang am Schlafittchen genommen und ebenfalls in Richtung Strommast geschubst. »Und du machst auch, dass dir der Geschlechtstrieb kommt!«, befahlen sie.