Rot vor Erregung, heulte Glatzkopf-Li auf, wie er es sonst nur tat, wenn er Strommasten umarmte. Er schrie dem Bruder zu: »Mein Geschlechtstrieb ist über mich gekommenl«
Als er bemerkte, dass auch Song Gang mit dunkelrotem Gesicht, gerecktem Hals und geschlossenen Augen aus Leibeskräften brüllte, freute er sich über die Maßen. Er stupste ihn in die Seite und fragte: »Kriegst endlich auch den Geschlechtstrieb, was?«
Dies war der Tag von Song Fanpings größter Glorie. Als die Demonstration zu Ende war und jedermann nach Hause ging, lief er mit den bei den Söhnen an der Hand weiter durch die Straßen. Mit vielen Leuten, die seinen Namen riefen oder seine Hand schütteln wollten, wechselte er ein paar Worte. Glatzkopf-Li und Song Gang begannen, die Nase ziemlich hoch zu tragen. Es kam ihnen vor, als ob alle Einwohner der Stadt ihren Vater kannten. Aufgeregt fragten sie ihn immerfort, wer das eben war, der ihn mit seinem Namen begrüßt oder ihm gerade die Hand geschüttelt hatte.
Mit der Zeit hatten die Kinder das Gefühl, als entfernten sie sich immer weiter von zu Hause. Als sie sich erkundigten, wohin sie eigentlich gingen, antwortete Song Fanping laut und schallend: »Ins Gasthaus! Essen!«
Im »Volksgasthof« angekommen, winkten ihm alle fröhlich zu, die Kassiererin, bei der man bestellte und bezahlte, ebenso wie die Servierer, die das Essen brachten und das Geschirr abräumten, und die anderen Gäste an den Tischen. Song Fanping winkte mit seiner gewaltigen Pranke zurück, ähnlich wie der Vorsitzende Mao den Massen vom Torturm über dem Tian'anmen aus huldreich zuzuwinken pflegte.
Die drei setzten sich an einen Tisch am Fenster. Im Nu waren sie umringt von Kassierern, Servierern und Gästen, die mit ihren Essschüsseln in der Hand herüberkamen. Durch den Lärm aufmerksam geworden, eilten auch die Köche in ihrer fettfleckigen Arbeitskleidung herbei und stellten sich hinter Glatzkopf-Li und Song Gang. Die Leute bestürmten Song Fanping mit zahllosen Fragen zu allen möglichen Themen, vom Großen Führer - dem Vorsitzenden Mao - und der Großen Proletarischen Kulturrevolution bis hin zu Streitereien zwischen Eheleuten und Kinderkrankheiten. Als Träger des größten roten Banners, das es je in Liuzhen gegeben hatte, war er zur wichtigsten Person geworden, die die Stadt überhaupt hervorgebracht hatte. Aufrecht auf seinem Stuhl sitzend, die Hände vor sich auf dem Tisch ausgebreitet, leitete er jede seiner Antworten mit demselben Satz ein: »Der Vorsitzende Mao lehrt uns ... «
Alles, was er sagte, waren Worte des Vorsitzenden Mao - nichts stammte von ihm selbst. Die Leute hingen an seinen Lippen, nickten zu seinen Antworten nur immer mit den Köpfen wie Körner pickende Hühner und gaben mit offenen Mündern, als hätten sie Zahnschmerzen, allerlei zustimmende Laute von sich.