Das Ende war schon absehbar, die Titanic würde sinken, doch der Pater Joseph Peruschitz lehnte einen Platz in den Rettungsbooten ab. Am 10. April 1912 war er an Bord der Titanic gegangen.
Es geschah in einer sternklaren Nacht. Ein tückischer Eisberg schlitzte die "Titanic", als unsinkbare Königin der Meere weltweit bestaunt, während ihrer Jungfernfahrt auf. In einem dreistündigen Drama sank das Riesenschiff. Nur 711 von 2.201 Passagieren und Besatzungsmitgliedern überlebten. "Titanic" heißt auch der teuerste Film aller Zeiten, der 1997 allein am Startwochenende in den USA über 27 Millionen Dollar einspielte und die Katastrophe natürlich mit einer Love Story zwischen einer behüteten Oberschichtgöre und einem halbverhungerten Kunstmaler kombiniert.
Eine andere nicht weniger dramatische Liebesgeschichte fehlt in James Camerons Kino-Epos, und dabei wäre es eine wahre Story gewesen: die Geschichte von dem bayerischen Benediktinerpater Joseph Peruschitz. Gemeinsam mit einem englischen Geistlichen namens Thomas Byles verzichtete er ganz selbstverständlich auf einen Platz in den überfüllten Rettungsbooten, um die verzweifelten Menschen zu trösten, während das sicherste Schiff der Welt Zentimeter um Zentimeter unter die Wasseroberfläche sank.
Sohn eines ungarischen Gleisbauers
Joseph Benedikt Peruschitz war der Sohn eines nach Oberbayern ausgewanderten ungarischen Gleisbauers. 1895 in der Benediktinerabtei Scheyern zum Priester geweiht, unterrichtete er die dortigen Internatsschüler in Mathematik, Musik und Turnen. Jetzt soll er im US-Bundesstaat Minnesota ein katholisches Gymnasium aufbauen. Für 155 Goldmark hat Peruschitz seine Schiffspassage für die erste Fahrt der "Titanic" über den Atlantik gebucht - bescheiden in der Dritten Klasse, wie es sich für einen Ordensmann gehört. Am 10. April 1912 startet das Riesenschiff in Southampton Richtung New York. Keiner der Passagiere rechnet mit einer Gefahr.
Vier Tage später, kurz vor Mitternacht, herrscht in den Bars auf dem Luxusdeck noch Hochbetrieb, elegante Menschen feiern, flirten, betrachten den grenzenlosen Sternenhimmel - während unten im Maschinenraum bereits die Wassermassen hereinströmen.
Als die Passagiere die Katastrophe wahrnehmen, bricht Panik aus. Die Mannschaft versucht Ordnung in das Chaos zu bringen, verteilt die - viel zu wenigen - Schwimmwesten, dirigiert Frauen und Kinder in die ebenfalls nicht ausreichenden Rettungsboote.
"Näher mein Gott zu dir"
Auch dem jungen Priester aus Bayern wird respektvoll ein Platz angeboten. Das habe er abgelehnt, bezeugen Überlebende; er hielt es offenbar für seine selbstverständliche Pflicht als Priester, auf dem sinkenden Schiff zu bleiben und den anderen Todeskandidaten beizustehen. Viele Passagiere, so wird berichtet, lagen auf den Knien, flehten und beteten.
Die elektrischen Lichter des Luxusschiffes seien bereits erloschen gewesen, gab die Überlebende Agnes Mac Coy später in der New Yorker Zeitschrift "America" zu Protokoll, so dass man nichts mehr sehen konnte. Aber sie erinnerte sich weder an Jammergeschrei noch Schreckensrufe. Nur die Klänge der Bordkapelle klangen undeutlich zum Rettungsboot herüber. Die Musiker intonierten wieder und wieder den Choral "Näher mein Gott zu dir", bis auch das abbrach und das Schiff unheimlich schnell in den Wellen verschwand."