Der nationalsozialistische Rassenwahn regelte auch Mietverhältnisse. Das "Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden" vom 30. April 1939 hob den rechtlichen Schutz jüdischer Mieter- und Vermieter praktisch auf.
Im Jahr 1922 erschien die "Rassenkunde des deutschen Volkes". Ihr Verfasser Hans Friedrich Karl Günther erklärt darin unter anderem, dass von einem schlanken, schmalgesichtigen Menschen ein anderes Empfinden zu erwarten sei als von einem untersetzten, breitgesichtigen und von einem flachnäsigen ein anderes als von einem mit schmaler, hoher Nase. Ja, er glaubt sogar, dass schwarzhaarige Menschen anderes handeln und empfinden als blonde, und kurzfingrige anders als schmalfingrige.
Gefährdeter Bestand?
Wer so fein zu unterscheiden versteht, dem fällt es natürlich nicht schwer, die verschiedenen Menschentypen in eine Wertigkeitsskala einzureihen. Dass Günther - in den 1930er und 40er-Jahren Professor für Rassenkunde, Völkerbiologie und Ländliche Soziologie - der "nordischen Rasse" auf dieser Skala den Spitzenplatz einräumt, versteht sich von selbst. Nach seiner Ansicht besitzt sie im Gegensatz zu den "minderwertigeren Rassen" ein hohes Maß an Tatkraft und Urteilsvermögen, den Drang zur Wahrhaftigkeit sowie eine Neigung zu ritterlicher Gerechtigkeit. Allerdings sei sie auch die in ihrem Bestand gefährdetste.
Professor Günther war ein durch und durch "arischer" Wissenschaftler. Theorien wie die seinen bildeten die Grundlage der nationalsozialistischen Rassenideologie - die eben auch zwischen "arischer" und "jüdischer Wissenschaft" unterschied. Die von dem Juden Einstein in die Welt gesetzte Relativitätstheorie etwa war für die arische Physik inakzeptabel. Um Forschung und Lehre vor nicht-arischen Einflüssen zu bewahren, verabschiedete man das "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums", das unter anderem die Entlassung jüdischer sowie systemkritischer Hochschullehrer aus so gut wie sämtlichen Forschungsbereichen bewirkte.
Kein großer Schritt mehr
Damit waren aber noch längst nicht alle Bedrohungen von der nordischen Rasse abgewendet. Adolf Hitler selbst vertrat in "Mein Kampf" den Standpunkt, die Juden verfolgten die Absicht, sich mit "rassisch höheren Völkern" zu verbinden, um diese dann zu versklaven. Damit war ein vertrauensvolles Zusammenleben von Deutschen und Juden ausgeschlossen, deutsch-jüdische Hausgemeinschaften mussten aufgelöst werden. Just diesen Zweck verfolgte das "Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden" vom 30. April 1939. Es hob den rechtlichen Schutz jüdischer Mieter- und Vermieter praktisch auf. Wenn "deutschblütige" Vermieter einen Ersatzwohnraum nachwiesen, konnten sie ihren jüdischen Mietern kündigen, jüdische Mieter durften nur noch an Juden untervermieten, Juden mussten, um leerstehende Räume zu vermieten, eine behördliche Genehmigung einholen - und so weiter und so fort. Es dauerte nicht lange, bis man begann, die Juden in so genannten Judenhäusern zusammenzupferchen. Von da war es kein großer Schritt mehr zur Einrichtung von Ghettos, und von dort nicht mehr weit bis zur Deportation.
Bei all diesen Maßnahmen legten die durchweg blonden und beneidenswert schlanken Angehörigen der nordischen Rasse genau jene Tatkraft an den Tag, die ihnen die Rassenlehre zuschrieb. Was leider, leider so ganz und gar nicht zum Tragen kam, waren die anderen Tugenden, die ihnen die arische Wissenschaft nachsagte. Die der Wahrhaftigkeit. Des Urteilsvermögens. Des Gerechtigkeitssinns ...