Die Biene Maja hat ihre Leinwandkarriere als Stummfilmstar begonnen. Am 8. April 1926 ist die Darstellerin - eine echte Honigbiene - zum ersten Mal in Berlin über die Leinwand gesummt.
Tiere vor der Kamera bringen gute Quoten und entzücken die Zuschauer - egal, ob es sich um Flipper, den Delphin, Lassie, den Collie, oder den bekleideten Schimpansen Charly handelt. Doch Tiere sind mitunter auch schwierige Hauptdarsteller: Bei den Dreharbeiten klappt selten etwas auf Anhieb. Denn Tiere schauspielern nur, wenn sie wirklich gut trainiert sind. Deswegen spielen Insekten in Filmproduktionen auch eine untergeordnete Rolle. Sie lassen sich kaum abrichten und haben ziemlich viele, lange, haarige Beine.
Verzweifelter Regisseur
Und dennoch: Das Werbeplakat für den weltweit ersten abendfüllenden Insekten-Spielfilm zeigt eine friedlich sitzende, echte Biene auf einer weißen Blüte. Vom Bildrand her bedroht sie eine ebenso echte, riesenhaften Hornisse: "Die Biene Maja und ihre Abenteuer", ein Stummfilm nach dem gleichnamigen Bestseller von Waldemar Bonsels, geht am 8. April 1926 in Berlin an den Start. Ein dokumentarischer Kassenschlager zum Sujet Honigbiene in sechs Akten und mit dramatisierenden Zwischentiteln. Alle Rollen werden von lebenden Insekten gespielt, einschließlich Mistkäfer Kurt und Kreuzspinne Thekla. Kein Wunder, dass die Dreharbeiten ein ebenso langwieriges wie gewagtes Unterfangen sind.
Regie führt ein gelernter Zoologe: Wolfram Junghans, der für seine winzigen Hauptdarsteller im Berliner Zoo eine eigene "biologische Versuchsstation" einrichtet. Für die Episoden im Inneren des Bienenstocks entwirft er ein "Bienenschloss" aus künstlichen Wachswabenwänden mit Bögen, Säulen und Gewölben. Kameramann und Assistent tragen bei der Arbeit Schutzanzüge. Man dreht mit Fernkurbel: Ganze 50.000 Meter Film sollen belichtet worden sein, bis nach mühsamen 21 Monaten Drehzeit alle Szenen im Kasten waren.
An ihren natürlichen Instinkten halten Honigbienen offenbar uneingeschränkt fest: Maja weigert sich beispielsweise, drehbuchkonform in ein Spinnennetz zu fliegen: Sie lässt Theklas hinterhältige Falle beharrlich links liegen.
Und zwar so lange, bis der verzweifelte Regisseur die widerspenstige Darstellerin kurzerhand betäubt und sie von Hand neben ihrer Todfeindin platziert.
Opfer in Stücke gerissen
Weit weniger sensibel sind die Filmleute, als es darum geht, den dramatischen Höhepunkt des Films zu inszenieren, das mörderische Schlachtgetümmel zwischen Bienen und Hornissen. Dokumentarische Aufnahmen zeigen, wie sich die Insekten gegenseitig auf der Leinwand töten. Regisseur Junghans hatte alles vorbereitet und einen Hornissenschwarm eine Woche lang vorsätzlich ausgehungert. Endlich in Freiheit, stürzten sich die Rieseninsekten auf ihre Opfer und waren bereit, sie im Scheinwerferlicht und vor laufender Kamera in Stücke zu reißen.
Dass "Die Biene Maja" wenige Jahre nach ihrer Uraufführung das Prädikat "volksbildend" erhält, ist ausgerechnet dieser wüsten Kampfhandlung geschuldet. Das "fleißige Bienenvolk", das unter Aufbietung allerletzter Reserven schlussendlich unbesiegbar bleibt, wird zwischen zwei Weltkriegen als pädagogisch wertvolles Vorbild missbraucht.
Den späten Siegeszug der Biene Maja als beliebte japanische Comic-Figur haben in den 1970ern aber weder der weltberühmte Autor, noch der Insekten trainierende Regisseur erlebt. Vielleicht zu ihrem Glück. Der schwarz-gelbe Erfolgsflug der verkitschten Biene mit Piepsstimmchen hätte ihnen sicherlich missfallen. Regisseur Junghans jedenfalls blieb seinem Sujet treu: Er baute seine einschlägigen Erfahrungen aus und drehte als nächstes einen Film über den Hornissenstaat. Später nahm er sich dann Libellen, Kanarienvögel und schließlich sogar Karpfen vor. So erfolgreich wie mit Biene Maja war er aber nie wieder.