Hielten die Hawaiianer den Entdecker James Cook für ihren Gott Lono? Auf jeden Fall scheint am 14. Februar 1779 ein schweres Missverständnis den britischen Kapitän das Leben gekostet zu haben.
"Reisen bildet", sagt der Volksmund. Auskunft darüber, welche Bildungsbereiche das Reisen besonders fördert, gibt er nicht. Spontan würde man annehmen, dass es der so genannten interkulturellen Kompetenz auf die Sprünge hilft, der Fähigkeit also, beim Umgang mit Angehörigen fremder Kulturen in möglichst wenige Fettnäpfchen zu treten. Aber gefehlt. Dass weder All-Inclusive-Urlaube noch die Teilnahme an Butterfahrten zu dieser Kompetenz verhelfen, liegt nahe, überraschend jedoch ist, welch gravierende Fehler auch geübte Reisende mitunter begehen. Zum Beispiel, indem sie in einer Gesellschaft, in der alte Menschen höchste Achtung genießen, einem Achtzigjähren versichern, er sähe aber wirklich noch taufrisch aus. Derlei kommt dort nicht gut an. In anderen Gegenden kann es bei Gastgebern schwere Irritationen hervorrufen, wenn der Gast kurz nach seiner überschwänglichen Verabschiedung unerwartet zurückkehrt.
Trat Gott ins Fettnäpfchen?
Genau dieser faux pas aber ist jemanden unterlaufen, der zu den berühmtesten Reisenden überhaupt gehört: James Cook. Genau dem Captain Cook, der den Pazifischen Ozean drei Mal durchquert, die Welt von Neufundland bis Australien, vom Kap Horn bis zur Beringstraße kennen gelernt und unzählige Kontakte mit Menschen der unterschiedlichsten Kulturen geknüpft hatte.
Der Zufall wollte es, dass Cook gerade in der Zeit auf Hawaii ankam, in der die Einheimischen ein mehrwöchiges Fest zu Ehren ihres Gottes Lono feierten. Es gibt Hinweise darauf, dass sie ihn sogar für Lono hielten. So oder so, der Captain und seine Mannschaft blieben ein paar Wochen, dann segelten sie wieder ab. Kaum jedoch hatten sie die Anker gelichtet, brach der Vormast ihres Schiffes, der Resolution, und sie machten kehrt, um den Schaden zu reparieren. Inzwischen war aber die Zeit des Lono-Festes vorbei und eine erneute Ankunft des Gottes samt seinem Gefolge äußerst unerwünscht. Gleich in den ersten Tagen kam es zu Spannungen.
Was genau geschah, lässt sich nicht rekonstruieren, auf jeden Fall machte Cook einen Fehler, der nicht anders zu erklären ist als mit mangelnder interkultureller Kompetenz.
Ausgekocht
Die Hawaiianer hatten sich eines Beibootes der Resolution bemächtigt. Das war gewiss ärgerlich für Cook - aber daraufhin den hawaiianischen König als Geisel nehmen zu wollen, war eindeutig die verkehrte Reaktion. Der Streit eskalierte, die Engländer mussten fliehen. Cook, der sich in ein weiteres Beiboot retten wollte, wurde am Strand niedergestreckt und erstochen. Außer Cook verloren an diesem verhängnisvollen 14. Februar 1779 in der Kealakekuabucht vier Seeleute das Leben.
Die Hawaiianer behandelten Cooks Leiche, als wäre sie die eines ihrer eigenen Würdenträger: Sie kochten den Körper aus, entnahmen ihm die Knochen und reinigten sie, um sie anschließend - Reliquien ähnlich - aufzubewahren. Damit bezeugten sie ihren Respekt vor dem Toten. Teile von dessen sterblichen Überresten gaben sie den Engländern zurück, die sie nach Seemannsart im Meer bestatteten.
Was die Hawaiianer zu dieser Rückgabe bewog, ist schwer zu sagen. Möglicherweise stand dahinter eine gewisse interkulturelle Kompetenz ...