Der Blick über den Kraterrand des kochenden Vesuvs am 28. Februar 1766 ließ Franz von Anhalt-Dessau nicht mehr los. Zurück zu Hause ließ er sich einen künstlichen Vulkan im heutigen " Wörlitzer Park" errichten.
"Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn", hat einst Johann Wolfgang von Goethe gefragt. Wo die Myrte still und hoch der Lorbeer steht, und wo die Goldorangen glühn, dahin wollt' er gerne ziehn. Dahin ist er auch gezogen, und nicht nur er. Italien, dieses faszinierende Land voller Kultur und Lebenslust, war das Reiseziel vieler junger Männer aus den strengeren Regionen Europas. Und wenn man erst mal das gefährliche Alpengebirg' überwunden hatte, dann hieß es: das "dolce vita" des Südens genießen.
Grollender Berg und Muskateller
Warm scheint die Sonne vom Himmel, prall schwitzen die süßen Früchte am Baum, verlockend der Anblick der glutäugigen Schönen, und nicht zu vergessen: In diesem Land ist auch die Erde heißer als anderswo. Am Golf von Neapel kocht der Berg, er schmilzt das Gestein und wirft Feuer in den Himmel. Und, wie aufregend: Dieses Schauspiel kann man sich von ganz nah besehen. Einheimische schleppen die neugierigen Fremden bis ganz nach oben, über spitze Lava gehen sie, knietief waten sie durch heiße Asche, und dann, wenn sie hinuntersehen in den Krater, in diesem Augenblick fängt, wenn man Glück hat, der Berg an zu grollen und zu rumoren. Furcht ergreift die Fremden, selbst die Führer flüchten bergab, bis hin zur sicheren Klause des Einsiedels, wo man erleichtert am Muskatellerwein sich erquickt.
Dieses aufregende Abenteuer schildert in seinem Reisetagebuch Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff, ein Architekt, der den jungen Fürsten Franz von Anhalt-Dessau auf dessen großer Italienfahrt begleitet hat. Am 28. Februar 1766 haben sie zusammen mit anderen mutigen Männern im Gefolge des Fürsten den Vesuv bestiegen und in seinen Schlund gesehen. Den Fürsten hat der feuerspeiende Berg dermaßen beeindruckt, dass er nach der Reise bei seinem Gartenbaumeister einen großen Park in Auftrag gab, bei Wörlitz, in den Auen der Elbe.
Der Gärtner entwarf einen Landschaftspark mit romantischen Felspartien und künstlichen Klippen, mit Flüsschen und Brücken und einem großen See, darin aufgetürmt eine künstliche Insel aus schwarzem Schlackengestein, ganz wie die Lava, die der Fürst bei Neapel gesehen hatte.
Vesuv von Wörlitz
Auf der Insel stand, umgeben von Feigen, Agaven und lombardischem Lorbeer, eine kleine Villa in italienischem Stil, und das Schönste aber, das ragte neben der Villa weithin sichtbar gen Himmel: Ein künstlicher Vulkan, siebzehn Meter hoch, in seinem Innern drei Räume mit einer raffinierten Befeuerungstechnik, mit der man den Vulkan zum Ausbruch bringen konnte. Feuerwerk, Rauch und bengalische Beleuchtung ahmten nach, was der Fürst in Neapel erlebt hatte, und wenn der Berg nachts Feuer spie, stand das Volk am Ufer des Sees und staunte und pries seinen Landesherrn.
Noch viel staunenswerter allerdings ist, dass Garten und Vulkan bis in unsere Zeit überlebt haben. Der fürstliche Park ist Teil des "Dessau-Wörlitzer Gartenreiches", eines Welterbes der UNESCO, zu DDR-Zeiten dem Verfall preisgegeben, mittlerweile kostspielig restauriert, und - wie früher - vom Volk zu besichtigen. Selbst den Vulkan hat man wieder instandgesetzt, und bei seltenen Gelegenheiten wird er tatsächlich angeworfen. Und dann staunen auch wir und preisen den großen Kunstsinn des Fürsten Franz von Anhalt-Dessau.