Der Tod - kein Goethe-Thema. Trotzdem hält Goethe am 18. Februar 1813 die Trauerrede auf seinen Dichterkollegen Christoph Martin Wieland. Die beiden hatte viel mehr verbunden als nur die Literatur.
"Auf einmal stand in unserer Mitte ein Zauberer ... ein schöner Hexenmeister ... ein echter Geisterkönig ... so hat sich nie in Gottes Welt ein Menschensohn uns dargestellt." Christoph Martin Wieland, populärster Dichter seiner Zeit, geriet vor Freude fast aus dem Häuschen, als das Goldkind Goethe in seine Stube trat. Dabei hatten die Insider der Literatenszene bei der ersten Begegnung der beiden ganz anderes erwartet: Zoff nämlich! Schließlich hatte das junge Genie eine kleine, recht böse, Satire gegen den Älteren losgelassen: "Götter, Helden und Wieland". Und das nur, weil Wieland an den Griechen, an Goethes Hausgöttern also, was auszusetzen hatte.
Herumbalgen mit den Kleinen
Die Art und Weise, wie der profunde Antikenkenner Wieland mit der "Alcestis" des Euripides umgesprungen war, reichte aus, um ihn lächerlich zu machen. In Goethes Farce musste er - mit Nachtmütze auf dem Kopf - vor den Olympiern Rede und Antwort stehen. Das Stück, in einer Weinlaune zu Papier gebracht, war eigentlich gar nicht für den Druck bestimmt. Doch sei’s drum, es ist erschienen.
Wieland reagierte weltmännisch gelassen und mit der ihm eigenen Ironie. Er rezensierte es in seiner Literaturzeitschrift "Teutscher Merkur" und lobte die Farce als "Meisterstück der Persiflage". Goethe sah betreten drein: "Wieland wird beim Publikum gewinnen und ich verlieren." Nun soweit ist es nicht gekommen, und ihr erstes Treffen wurde zum Beginn einer wunderbaren Freundschaft - mit Höhen und Tiefen, wie es sich gehört.
In seinen frühen Weimarer Jahren ist Goethe Dauergast bei den Wielands, "wo aus allen Ecken Kinder herausschauen." Vierzehn werden es insgesamt! Der Haus-und Hofpoet des jungen Herzogs Carl August, Staatsminister verschiedener Ressorts, in tausend politische und persönliche Händel verwickelt, genießt es, einfach mal unbeschwert zu sein, sich mit den Kleinen herumzubalgen, um sich danach an geistreichen Gesprächen mit Papa Wieland und Frau Wielands leckerer Hausmannskost zu laben.
Ein nasses Grab
Die Idylle wird gestört, als der Landesfürst seinem Busenfreund Goethe ausgerechnet das Haus schenken will, in dem die Familie Wieland seit Jahren wohnt und - auch selbst die Miete zahlt. Es wird ein Ersatz gefunden, so dass Wieland - der Weimar schon verlassen wollte - bleiben kann. Und als Goethe in die Jahre und unter die Fittiche gekommen ist, erwirbt er ein Gut in unmittelbarer Nachbarschaft von Wielands ländlichem Refugium in Oßmannstedt. Ausgerechnet in der Gegend, die er vorwitzig als ödeste Ecke der Welt verdammt hatte. Doch die Landflucht erweist sich als Schuldenfalle und beide ziehen erleichtert in die 10 Kilometer entfernte Residenzstadt zurück. Nur eines hatte sich Wieland ausbedungen, eine Grabstätte im Park am Ufer der Ilm zu behalten. Als er 80jährig stirbt, findet er dort zwischen seiner geliebten Frau und seiner "Seelen - und Herzenstochter" Sophie von Brentano die letzte Ruhe.
Der Tod, kein Goethe-Thema. Zwar hat er etliche Totenreden geschrieben, die ließ er aber bei der Beerdigung von anderen vortragen. Doch Freund Carl August, Herzog und zugleich Großmeister der Weimarer Loge "Amalia", bittet Goethe, dort die Trauerrede auf Wieland zu halten.
Das geschah am 18.Februar 1813. Eine Konfrontation mit dem aufgebahrten Freund oder auch mit dem geschlossenen Sarg musste er nicht befürchten. Zwei Wochen zuvor war Wieland in Oßmannstedt beerdigt worden.
In "einem nassen Grab", das wie Goethe befürchtete beim nächsten Hochwasser hinweggespült werden würde. Doch bis heute ist es unversehrt geblieben. Eine Pilgerstätte für Wieland-Fans und andere mehr.