Bundeskanzlerin Merkel ist mit vielen ihrer Minister zu Besuch in Indien. Ihre Mission: Die Beziehungen zu dem aufstrebenden Milliarden-Einwohner-Land aufzufrischen. Doch dort kennt sie bislang kaum jemand. Das soll sich jetzt ändern - zumindest ein bisschen.
Von Kai Küstner, ARD-Hörfunkstudio Neu Delhi
Auch wenn diese Erkenntnis vielleicht keine große Überraschung ist: Eine deutsche Bundeskanzlerin genießt in Indien natürlich nicht den Bekanntheitsgrad eines Bollywoodstars. Angela Merkel? Nie gehört.
Wer die Frage umdreht und sich bei den Einwohnern in der Hauptstadt Neu Delhi erkundigt, wer denn wohl gerade die Regierungsgeschäfte in Deutschland führe, bekommt durchaus eine - wenn auch zögerliche - Antwort: "Ich denke... Helmut Kohl. Helmut Kohl?"
Diese nicht mehr so ganz zeitgemäße Antwort kann man den Indern kaum übelnehmen, dürfte bei einer ähnlichen Umfrage in Berlin den Bundesbürgern der Name des indischen Premiers nun auch nicht auf Anhieb von den Lippen perlen. Und der deutsche Botschafter in Neu Delhi, Thomas Matussek, kann der Merkel-Kohl-Verwechslung sogar etwas Positives abgewinnen: "Das zeigt, wie traditionell die deutsch-indischen Beziehungen sind. Und ich kann ihnen versprechen: Mit dem 31. Mai wird sich das schlagartig ändern."
Kein bekanntes, aber ein wichtiges Land
Fette Schlagzeilen produzieren in Indien eigentlich nur große oder böse Länder: USA und China etwa, die sind groß. In Kategorie zwei fällt aus Sicht indischer Medien gerne Pakistan.
Vieles aber vollzieht sich auch unterhalb des Medienradars: Deutschland ist Indiens größter Handelspartner in Europa. Und Indien wiederum wird für deutsche Unternehmen immer wichtiger: "Deutschland hat etwas länger gebraucht als andere, um zu begreifen, wie viel Potential Indien hat. Es als ein Land zu sehen, mit dem es auf vielen Feldern zusammenarbeiten kann. Deutschland hat zu lange auf China geschaut", meint der Auslandsexperte des renommierten Magazins "Outlook", Pranay Sharma.
Deutschland will verkaufen, Indien will Technologie
Was hat Indien Deutschland zu bieten? Vor allem viele Menschen, die - je reicher sie werden - auch immer mehr kaufen. Wenn es nach VW oder BMW geht, wären das zum Beispiel deutsche Autos. Und sonst? "Wir reden immer über Politik und Wirtschaft. Aber Deutschland kann - was den Multikulturalimsus angeht - viel von Indien lernen", meint Sharma. Indien sei da wirklich vielfältig, es gebe verschiedene ethnische, sprachliche, religiöse Gruppen. "Da können wir gerne ein paar Ideen austauschen", sagt der Journalist.
Indien wiederum erhofft sich von Deutschland - neben vielem anderen - Technologie, auch etwa bei den erneuerbaren Energien. In der Nähe von Mumbai soll mit deutschen Krediten schon bald das größte Solar-Kraftwerk der Welt entstehen. Die Inder grübeln gerade noch, ob sie ein Kampfflugzeug wie den Eurofighter wollen.
Völlig unstrittig ist aber, sagt auch Botschafter Matussek, dass beide politisch viele gemeinsame Interessen haben: Er denke da an die Klimapolitik, eine Neuordnung der Weltfinanzregulatorien im Rahmen der G 20, eine UN-Reform - allen voran des Sicherheitsrates. Oder an den Kampf gegen internationalen Terrorismus. Regional gehe es natürlich um die Stabilisierung des Raumes Afghanistan/Pakistan, an dem beide Länder ein intensives Interesse hätten.
Beziehungspflege zum richtigen Zeitpunkt
Mit jedem Prozentpunkt Wirtschaftswachstum wächst allerdings auch das indische Selbstvertrauen. Viele in dieser Welt wollen heutzutage Indiens Freunde werden. Da ist es keine schlechte Idee, die Beziehungen genau jetzt ein bisschen zu vertiefen.
Auch wenn das nicht heißt, dass alle Inder bald den Namen Merkel kennen müssen.