Ein Jüngling hatte ein schönes, treues Liebchen, strebte aber der Gunst einer Göttin nach. Diese wies ihn ab und sagte:
»Wie kannst Du glauben, daß ich mich einem Menschen huldreich erweisen werde, dessen Herz ich theilen müßte mit einem irdischen Weibe?«
Da verstieß er seine Geliebte, rief die Göttin wieder an und fragte: »Wirst Du mich belohnen für das Opfer, das ich Dir gebracht habe?«
»Schon deshalb nicht, weil Du Lohn erwartest,« erwiderte sie. »Ein Recht auf mich läßt sich nie und durch nichts erwerben.«
»Ich spreche auch nicht von Recht,« versetzte der Jüngling, »ich flehe um Deine Gnade.«
Die Göttin ließ ihr heiteres Lachen erschallen: »Behilf Dich einstweilen ohne sie. Du hast genug andere Güter; Du hast theure Eltern, Geschwister, Freunde, ein schmuckes Heim, Reichthum, Jugend, Gesundheit.«
Nun verschenkte er Alles, was er besaß, nahm auf Nimmerwiedersehen Abschied von den Seinen und folgte der Göttin nach — aus weiter, weiter Entfernung.
Weil er nichts Anderes mehr zu opfern hatte, opferte er ihr den Schlaf seiner Nächte und das Roth seiner Wangen, wachte und sang vor den Altären der Unsterblichen, verkündete ihren Ruhm und rief die Welt zum Zeugen seiner Anbetung und seiner ringenden Qual.
Aber seine Lobpreisungen und seine Klagen blieben ohne Widerhall, denn die Göttin hatte die Lippen, denen sie entströmten, nicht geküßt. Das Alter kam, zehrte an seiner Kraft, bleichte ihm die Locken, seine Sehnsucht blieb jung und heiß, und sie, deren Schrei die Ruhe des Himmels stört, zwang die Unsterbliche einmal wieder zu ihrem treuesten Diener herab.
Er warf sich ihr zu Füßen und flehte:
»Einen freundlichen Blick gewähre mir, ein holdes Lächeln, damit mein Leben nicht ganz verloren sei!«
»Wenn verloren, ist's meine Schuld?« fragte sie. »Warum wandelst Du auf meinen Spuren? — Wann rief ich Dich? — Laß ab von meinem Dienste, unberufener Knecht!«