Indessen der König auf dem Kranken- und Sterbelager klagte, griff Uriens nebst seinem Bruder die Heiden mit solcher Tapferkeit an, daß sie bald erschraken und nicht wußten, wie ihnen geschah, so daß sie sich genöthigt sahen, zurück zu weichen, weil ihnen eine solche Tapferkeit bis dahin noch nicht vorgekommen war. Uriens aber that noch mehr, er drang bis zu dem Heidenkönig hindurch, schwang sein Schwert, und hieb ihm ohne weiteres den Kopf herunter, so daß der übrige Leib ebenfalls gezwungen wurde, aus dem Sattel zu fallen. Wie die Heiden dergleichen Beginnen wahrnahmen, verloren sie vollends gar den Muth und suchten ihr Heil in einer unordentlichen und übereilten Flucht; damit war ihnen aber wenig geholfen, denn nun schlugen die Christen dermaßen unter sie, daß die meisten auf dem Platze blieben und nur die wenigsten mit dem Leben davon kamen. Nachdem so der Streit geendigt war, ruhte Uriens mit seinem Bruder Gyot im Lager der Feinde von dem vielen Fechten aus, denn die Helden waren von dem Erschlagen der Heiden müde geworden.
Als der König diese Thaten und die Niederlage seiner Feinde vernahm, freute er sich, ob er gleich dem Tode so nahe war, schickte also seine Abgeordneten nach den beiden Brüdern, die um Entschuldigung bitten mußten, daß er nicht selber komme, um ihnen seine persönliche Aufwartung zu machen, er liege aber an einer Wunde von einem vergifteten Pfeile dermaßen darnieder, daß es ihm unmöglich falle; sie möchten daher von der Güte sein, ihn in seinem königlichen Pallaste zu besuchen, bevor er gar gestorben wäre. Die beiden Brüder antworteten: daß sie ihre Schuldigkeit nicht unterlassen würden, vor der hohen Gegenwart seiner königlichen Majestät zu erscheinen, worauf sich die Abgeordneten zurück begaben, und Uriens sich mit seinem Bruder Gyot alsbald in die Stadt Famagusta verfügte. Als sie in die Stadt anlangten, verwunderte sich das Cyperische Volk sehr über das seltsame Aussehn des Uriens und daß er, ohnerachtet seines Angesichtes, solche Wunder der Tapferkeit zu verrichten im Stande sei: er merkte, daß sie über ihn erstaunten und begab sich in den Pallast des Königs, wo er diesen übel zugerichtet und von dem vergifteten Pfeile am ganzen Leibe geschwollen im Bette liegend antraf. Er grüßte den König und beklagte ihn wegen seines Unfalls, worauf ihm der König dankte und sagte, daß ihm die ganze Christenheit Preis, Lob und Verbindlichkeit schuldig sei, indem er auf solche Weise unter die Heiden gewüthet, daß sie es auf lange empfinden würden. Zugleich fragte der König, von wannen sie beiden gebürtig wären? Uriens sagte, wie er Uriens heiße und in Lusinien geboren sei. Worauf der König wieder antwortete: da ich nun meines tapfern Herrn Namen und Geschlecht so umständlich weiß, so will ich nicht länger eine Bitte zurück halten, die ich vorzutragen habe: ich bin nämlich des Willens, Euch, mein edler Ritter, ein großes Glück, viel Ehre und Reichthum zuzufügen; ich habe nur eine einzige Tochter, Hermina genannt, an welche mein Reich, so wie mein ganzes Vermögen fällt, wenn ich, will’s Gott bald, an meiner vom vergifteten Pfeil empfangenen Wunde gestorben sein werde, dabei wünschte ich, mein Reich in den Händen eines tapfern Ritters zu wissen, weil es dem Heidenthum so nahe liegt, daß es durch dieses täglich beschädigt werden kann; ich weiß keinen bessern Ritter als Ihr seid, darum bin ich gesonnen, Euch mein Reich so wie meine Tochter zu übergeben.
Uriens bedankte sich höflich, sagte: er wäre es zwar durchaus nicht würdig, wolle sich aber nicht weigern, die königlichen Befehle zu vollführen. Ueber diese Antwort war der König sehr froh und zufrieden, er ließ alsbald seine Tochter zu sich kommen und auch die Räthe seines Reichs vor sich versammeln, zu welchen er sprach: Ihr wißt, wie ich bisher mein Reich mit bewaffneter Hand gegen die Heiden beschirmt habe, doch dieses kann von nun an nicht mehr geschehn, indem ich durch einen vergifteten Pfeil auf den Tod verwundet bin, ich verlange also von Euch, daß Ihr meine Tochter Hermina als Eure Oberherrschaft in meiner Gegenwart, bevor ich sterbe, anerkennt, denn sie ist meine einzige und rechtmäßige Erbin. Die Räthe und Landesherren thaten, was er begehrte, worauf der sterbende König also fortfuhr: ein Weib aber kann unmöglich durch ihre eigene Kraft ein Königreich beschützen, welches eine so gefährliche Lage hat, indem es fast zu nahe an das wilde Heidenthum gränzt, ich verlange daher, daß meine einzige Tochter Hermina sich mit einem Ehegemal verbinde und da wüßte ich keinen tapfrern, und bessern, wenn ihm gleich die Schönheit des Angesichts abgeht, als den unvergleichlichen Ritter Uriens aus Lusinien, der die Heiden so trefflich bezwungen, ja ihrem Könige das Haupt heruntergeschlagen hat, ob ich gleich diese Freude nicht lange genießen werde, da ich auch durch einen vergifteten Pfeil auf den Tod verwundet: Ich verlange also meine Tochter Hermina, daß Du diesem Ritter als Deinem Gemale die Hand reichest, und daß alle meine Räthe und Landesherren ihm als ihrem zukünftigen Könige huldigen sollen.