Eines Tages saß Cupido – ich meine nicht den patentierten, konzessionierten Heiratsvermittler und Rechenmeister des neunzehnten Jahrhunderts, sondern das liebe, mutwillige Bübchen, von dem Anacreon erzählt und Goethe in seiner »Brautnacht« –, der saß eines Tages im Olymp und langweilte sich. Er hatte zwar eben erst allerlei Schabernack verübt, hatte sogar dem Vater Zeus einen Brand-Pfeil ins Herz gesandt, so daß er nicht wußte, nach welcher hübschen Erdentochter er zuerst schmachten sollte, hatte versucht, die lange Artemis anzuschießen, aber vergebens, ebenso die Athene; und aus Rache dafür, daß sie ihm ihren kolossalen Minervaschild vorhielt, zupfte er ihre Eulen, die sie just fütterte, am Schwanz, so daß sie entrüstet »Huhu« sagten. Tante Juno hatte ihm sehr energisch auf die Finger geklopft, als er den Nymphen allerlei süße Dummheiten ins Ohr flüsterte und schließlich sogar den Dienerinnen der Vesta nachstellte; da war er zu seiner holdseligen Mutter Aphrodite geflüchtet, und sie breitete ihm sehnsüchtig die Arme entgegen, und schwirr, da flog der Pfeil und stak ihr im Herzen. Der böse, liebe Junge – aber Aphrodite lächelte – sie war's ja gewohnt! – Nun saß Cupido auf einer Wolke und bammelte mit den Beinchen und guckte zur Erde hinab und langweilte sich. Da kam Hermes daher geflogen, der hatte irgend einer Schönen im Auftrage des Vaters Zeus eine Düte Ambrosia gebracht und dafür ein Stelldichein verabredet. Er mochte den Cupido gut leiden und hockte sich ein wenig zum Ausruhen neben ihn.
»Du – weißt Du, was sie da unten mit Dir gemacht haben?« fragte er ihn.
»Nee – was denn?«
»Erst 'mal haben sie Dich riesig elegant angezogen, im schwarzen Frack und Cylinder, und sie sagen, Du hießest gar nicht Amor, sondern Puck; und außerdem wäre es unanständig, wenn man nackt ginge. Und dann haben sie Dir eine große Brille aufgesetzt, weil Du blind wärest, sagten sie und haben Dir Deinen Köcher mit Goldstücken statt mit Pfeilen gefüllt, das zöge besser, sagten sie, und haben Dir statt eines Bogens ein Tintenfaß in die Hand gegeben und Dir eine Feder hinters Ohr gesteckt, damit Du gleich die Ehekontrakte ausschreiben könntest, sagten sie, und wenn Du doch 'mal ganz splitterfadennackt, ganz natürlich, ohne alle Zuthaten zu ihnen kommen wolltest – sie möchten Dich eigentlich ganz gern so, sagten sie – dann müßtest Du aber durchs Hinterthürchen schlüpfen, damit dich ja auch keiner sähe, denn sonst genierten sie sich, sagten sie.«
»Beim heiligen Kriegsungewitter!« fluchte Cupido – »das ist ja eine ganz urweltliche Bande!«
»Hör' nur weiter – es kommt noch besser. Da hat sich einer – so'n ganz vertrocknetes Kerlchen mit einer Brille auf der Nase, auf einen hohen Stuhl gesetzt, und hat mit dem Finger – weißt Du, mit so einem langen knöcherigen – auf den Tisch geklopft und hat gesagt: Es gäbe Dich gar nicht, Du wärest eine Mythe, und die Liebe, das wäre eine Nervenaufregung, die leicht in Irrsinn übergehen könnte, und deshalb hätten die weisen Männer Gesetze gemacht, nach denen die Gefühle geregelt würden.«