In den lauschigen Ecken und Winkeln der Gebüsche stehen weiße Gestalten – sind's Menschen? Sie sind nackt, kaum mit einem leichten Flor bekleidet. – Sie sind schön, himmlisch schön, und das Sonntagskind tritt näher und faßt Mut, weil sie so gar lieb und gut blicken, und es berührt sie ganz vorsichtig und leise mit der Hand, streichelt die schönen, nackten Füße und – fährt erschrocken zurück, denn eiseskalt sind sie und tot.
Doch sieh – bewegen sie sich nicht? Und horch – hörst Du nicht leises Kichern, Flüstern, neckisches Lachen – ach, und klagendes Schluchzen? – Die Hand des Sonntagskindes hat sie berührt – sie leben, die schönen, marmornen Menschenbilder, das rote, warme Blut rollt durch ihre Adern, sie lächeln, es bebt ihr Fuß zum Weiterschreiten. Da neigen sie sich vor ihrer Königin – die steht in ihrer Mitte, ein wonnevoll Weib, zierlich treten ihre schlanken Füße den Boden, die linke Hand deckt schamhaft den Schoß, die rechte den schneeigen Busen, zur Seite geneigt hält sie das liebliche Haupt, die holde Venus von Medici – und nun fassen sie sich bei den Händen, die herrlichen Göttergestalten und die Elfen und Nixen mit ihrer weichen, eidechsenhaften Schmiegsamkeit und die komischen Kobolde mit ihren langen Bärten und listigen Aeuglein und drolligen Bewegungen; sie tanzen einen zierlichen, wunderlichen Reigen um das Sonntagskind im Kreise, und sie singen:
»Bleib' bei uns – o hier ist's gut sein! Hier ist Schönheit, hier ist Liebe – zu süßer Freude wandelt die Lust sich, zu mildem Frieden Angst und Unruh' – – Ach, und der Schmerz, der wild durchtobt des Menschen Herz – er löst sich auf in sanftes Klagen, die Sorge wird hier zu Grab' getragen, und aller Kummer lind gestillt. –
»Hörst Du der Nachtigall Gesang? – So singt die Sehnsucht in Deinem Herzen.
»Hörst Du der Blumen Geläut? – So läuten sie Deine bange Seele zur Ruh.«
Und horch! Welch wunderlieblich Geklinge und Gesinge, wie Glockentöne in weiter Ferne! Näher kommt's – immer näher – husch! der lustige Kreis stiebt auseinander, blitzschnell, wie er gekommen, und vor dem Sonntagskinde steht eine hehre, schöne Frau, deren zarten Leib umgibt ein Kleid von Rosenblättern, auf dem wonnesamen Haupt strahlt eine Sternenkrone, die Flügel des Königsfalters trägt sie an den Schultern, und ihre Füße wandeln auf Blumen.
Sie lächelt – da zittert die Luft vor Freude – Sie spricht – da lauschen Mond und Sterne. – »Haben sie Dich erschreckt da draußen in der Welt, Du Menschenkind?« sagt sie, »hat die große, schwere Wolke Dir das Herz beklemmt und Dir den Atem genommen? Und bist Du zu mir geflüchtet, in den Garten der Wonne, in mein Königreich, das Reich der Phantasie? – Ich wußte es wohl, Ihr Menschenkinder könnt ohne mich nicht bestehen. Da geht ein lautes Gerede, ein wildes Geschrei durch die Welt: sie brauchen mich nicht, nur Natur wollen sie, und nur im groben Alltagskleid, nicht im glänzenden Schmuck, im schimmernden Geschmeid, womit ich sie überschütte. – Aber siehst Du, Du Sonntagskind, kommst doch geflüchtet zu Deiner Trösterin, ohne die Du die Natur nicht ertragen, ohne die Du nicht leben kannst. – Und wenn Du wieder hinausziehst, dann sag' es ihnen draußen in der Welt, was Du geschaut in meinem Reich. – Ach, gerade jetzt sollten sie es wissen, wo die dunkle Wolke schwer über den Völkern schwebt und sie darnieder drückt.