Mitten in der Nacht liegen wir alle in unseren Betten und schlafen tief und fest. Die einen träumen dabei von verrückten Sachen, andere wälzen sich unruhig hin und her. Mancher Mann schnarcht ganz laut, die eine oder andere Frau ebenfalls, auch wenn Letztere dies nur ungern zugeben. Ab und zu soll es auch vorkommen, dass jemand mit offenem Mund schläft, dabei sein Kopfkissen besabbert und morgens mit nassen Haaren aufwacht. Aber das soll uns in der nun folgenden Geschichte gar nicht kümmern, denn um diese Menschen soll es hier gar nicht gehen. Es geht um Nathalie, denn Nathalie war anders. Aber fangen wir ganz von vorne an.
In den Nächten, während wir schlafen, kommen die kleinen Heinzelmänner und Heinzelfrauen aus ihren Verstecken und verrichten Aufgaben der Menschen, die noch nicht erledigt wurden. Das machen sie nicht, weil es vielleicht ihr Job wäre oder sie wahnsinnig gut dafür bezahlt würden. Nein, sie machen das aus reiner Freude und weil es ihnen mega viel Spaß macht.
Die Sache ist nur, dass die Heinzelmänner und Heinzelfrauen ihre wohltätigen Unternehmungen nur in der Nacht verrichten und dabei unerkannt und ungestört bleiben wollen.
Und damit wären wir dann auch schon mitten in der Geschichte, in der die kleinen Kerle und ihre Damen gerade aus ihrem Versteck kamen und sich in der Wohnung von Nathalie verbreiteten, die sie auf Vordermann bringen wollten.
Auf kleinen, leisen Sohlen schlichen sie sich durch die Zimmer, fanden schnell ein paar Aufgaben. Sie erstellten ihre To-Do-Listen und teilten sich auf, um bis zum Morgengrauen alles erledigt zu haben. Doch dann sollte alles anders kommen.
Im Schlafzimmer regte sich etwas. Nathalie wälzte sich unruhig hin und her. Sie wurde wach.
»Kein Grund zur Beunruhigung.«, wisperte ein Heinzelmann, der dem Bett am Nächsten stand. »Versteckt euch, bis sie wieder schläft.«
Nathalie stand auf, schlurfte ins Bad und machte von der Toilette Gebrauch. Das war für Menschen nicht ungewöhnlich. Das waren Heinzelmänner und Heinzelfrauen gewohnt. In ein paar Minuten würde der Spuk wieder vorbei sein.
Nathalie spülte, wusch sich die Hände und legte sich zurück ins Bett. In den Schlaf fand sie allerdings nicht mehr. Sie war so wach, als hätte sie eine Kanne Kaffee getrunken.
»Verdammt nochmal.«
Sie stand auf, ging ins Wohnzimmer und setzte sich an ihren Laptop.
»Wenn ich schon nicht schlafen kann, schreibe ich ein paar E-Mails und vielleicht das Gedicht, dass ich am Abend nicht mehr fertig bekommen habe. Vielleicht macht mich das ja wieder müde.«
Sie begann zu tippen, schrieb Nachrichten und seitenweise lange Texte. Dabei merkte sie nicht, wie die Zeit verging, die Stunden verstrichen. Es musste erst die Sonne hinter dem Horizont aufgehen, um Nathalie klar zu machen, dass der Morgen angebrochen war.
»Och nee. Das auch noch.«
Dafür war sie nun aber wieder müde und kroch zurück unter die warme Decke.
Die Heinzelmänner, die die ganze Zeit gewartet hatten, waren natürlich stinksauer. Sie hatten nicht erledigt bekommen. Jetzt, da es hell wurde, war es zu spät. Sie verkrochen sich in ihre Verstecke und verschoben die zu erledigenden Aufgaben auf die nächste Nacht.
Die Nacht kam schnell. Ganz unerwartet folgte sie dem nächsten Abend und kam mit Dunkelheit und Stille.
Die Heinzelmänner und Heinzelfrauen machten sich wieder an die Arbeit. Doch auch dieses Mal wurden sie von Nathalie gestört. Sie wurde wach und konnte erneut nicht schlafen, verbrachte wieder Stunden im Wohnzimmer.
Die folgenden Nächte änderten nichts an der Situation. Die Heinzelmänner und Heinzelfrauen verzweifelten langsam. Sie waren es gewohnt, ihre Aufgaben erledigen zu können, bevor sie sich auf die Reise in ein anderes Haus machten. In ihrer Verzweiflung gründeten sie aus lauter Langeweile den Verband haushaltsvertriebener Heinzelmänner und Heinzelfrauen.
»Was sollen wir denn jetzt machen?«, fragten sie sich immer wieder. »Wie sollen wir denn die Bude hier auf Vordermann bringen, wenn die Frau jede Nacht wach ist?«
In diesem Moment stand Nathalie von ihrem Platz auf, wollte dieses Mal noch vor dem Sonnenaufgang zurück ins Bett, als ihr die Unordnung in ihrer Wohnung auffiel.
»Das ist ja seltsam. So sah es hier noch nie aus. Irgendwas hat sich verändert.«
Überall lagen Gegenstände herum, waren nicht ordentlich aufgeräumt, standen nicht an ihren Plätzen.
»Sonst kümmert sich doch immer jemand darum.«
Sie ließ die Schultern hängen und begann, ihr Heim aufzuräumen.
»Oh, verdammt, ist das interessant.«
Die Heinzelmänner und Heinzelfrauen sahen nun zum ersten Mal einem Menschen dabei zu, wie er selbst das Chaos in der Wohnung beseitigte.
»Ich wusste gar nicht, wie unterhaltsam das sein kann.«
Schnell holten sie sich ein paar gemütliche Sessel aus ihren Verstecken, machten es sich darin gemütlich und beobachteten Nathalie bei ihrer emsigen Tätigkeit. Das war noch sehr viel spannender als den Fernseher einzuschalten.
»Wir sollten aufhören, den Menschen alles hinterher zu räumen. Wir schauen ihnen einfach nur noch dabei zu.«
Seit dieser Nacht, waren nirgendwo mehr Heinzelmänner oder Heinzelfrauen aufgetaucht, um den Menschen ihre Aufgaben abzunehmen. Von dieser Nacht an, mussten sie sich selbst darum kümmern.