Weltraumgeschichten:Ein Loch im All

Es war ein ruhiger, ja beinahe langweiliger Flug durch das unendliche Weltall. Mit einem großen, aber schlanken Raumschiff ging es in unglaublicher Geschwindigkeit vorbei an unzähligen Sternen und Planeten, auf denen viele verschiedene Lebensformen entstanden waren.

»Wenn wir doch nur anhalten, Kontakt aufnehmen und Freundschaften mit den vielen noch nicht entdeckten Völkern schließen könnten. Was wir der Menschheit an neuem Wissen mitbringen könnten.«

Captain Fine unterbrach den Eintrag in ihr Logbuch und seufzte. Statt die vielen Welten, an denen sie vorbei kamen, erforschen zu dürfen, war sie mit ihrer Mannschaft auf einer Transportmission. In den großen Frachträumen befand sich Getreide, das am anderen Ende der Galaxis dringend gebraucht wurde.

»Wenn wir wieder zurück sind, werde ich die Admiralität bitten, mich auf ein Forschungsschiff zu versetzen. Diese Langeweile während der langen Flüge ist kaum auszuhalten.«

Captain Fine wollte gerade die Aufzeichnung fortsetzen, als die helle Deckenbeleuchtung zu einem bedrohlichen Rot wechselte und eine laute Sirene ertönte.

Captain Fine setzte sich sofort gerade hin und sah schnell von einer Station zur nächsten. »Was ist los? Warum wurde der Alarm ausgelöst?«

»Wenn wir den aktuellen Kurs beibehalten, steuern wir direkt auf eine Raumanomalie zu, die gerade erst von den Sensoren erfasst wurde.«, meldete eine monotone Computerstimme.

Die Ansicht auf dem Hauptschirm wechselte. Das Sternenmeer wich einem dunklen, runden Nichts, das von seltsamen Lichteffekten umgeben war.

Fine beugte sich vor und runzelte die Stirn. War das etwa ein schwarzes Loch?

»Es bleibt nicht mehr viel Zeit.«, meldete sich der Computer erneut. »In fünf Sekunden überschreiten wir den Ereignishorizont. Danach gibt es kein Zurück mehr.«

»Sofort umdrehen. Mit Vollgas zurück.«

Das Raumschiff erzitterte. Aus allen Richtungen war Knacken und Quietschen zu hören. Die schützende Außenhülle wurde bis an ihre Grenzen belastet.

Plötzlich wurde Fine aus ihrem Sessel gerissen und stürzte zu Boden.

»Es ist zu spät.«, sagte der Computer. »Wir wurden von starken Gravitationskräften ergriffen. Wir werden hinein gezogen.«

Das Raumschiff stürzte auf das dunkle Nichts zu. Die wabernden Lichteffekte um es herum leuchteten in allen Farben des Regenbogens.

»Es ist so schön.«, war Captain Fine kurz abgelenkt. »Ich hätte nie gedacht, dass es im Innern eines schwarzen Lochs so schön sein könnte.«

»Das ist kein schwarzes Loch.«, wurde sie vom Computer direkt verbessert. »Wir befinden uns im Innern eines Wurmlochs.«

Fine dachte kurz nach, wühlte in ihren Erinnerungen. Sie hatte auf der Sternenakademie gelernt, dass es sich bei einem Wurmloch um etwas ganz anderes handelte. Es war eine Art Tunnel, der eine Abkürzung zwischen zwei sehr weit auseinander liegenden Punkten im All darstellte. Wo sich der Ausgang befand, konnte aber niemand sagen. Einen Augenschlag später befand sich das Raumschiff schon mitten darin.

Es war dunkel. Nichts war zu sehen. Wäre nicht das ständige Ruckeln und Zittern gewesen, man hätte meinen können, sich an einem ganz anderen Ort zu befinden.

»Achtung! Es befindet sich ein unbekanntes Objekt direkt vor uns.«, meldete der Computer. »Es versperrt uns den Weg. Wenn wir nicht abbremsen, werden wir damit kollidieren.«

Na toll. Ein Zusammenstoß würde bei diesen Geschwindigkeiten unweigerlich zur Zerstörung des Raumschiffs führen.

»Leite ein Abbremsmanöver ein.«

Der Antrieb wurde leiser, das Ruckeln und Zuckeln erstarb. Kurz vor dem Objekt blieb das Schiff stehen.

»Was ist denn das?« Fine erschrak. Das konnte doch gar nicht sein. War das etwa … »Ein Regenwurm? Im Weltall?«

Der Wurm öffnete sein Maul, drohte das Raumschiff zu verschlingen. »Wir müssen sofort weg. Sonst sind wir und unsere Getreideladung verloren.«

Captain Fine wollte gerade das Kommando zur Flucht geben, als eine laute Stimme ertönte.

»Fine? Wo bleibst du denn? Ich warte auf das Müsli. Du solltest doch nur kurz zum Auto gehen und es holen.«

Fine seufzte. Sie zog ihr kleines Raumschiffsmodell aus dem Wurmloch in der Wiese. »Machs gut, kleiner Regenwurm. Vielleicht spielen wir heute Nachmittag weiter. Ich muss jetzt leider wieder rein gehen.«

Sie schnappte sich die Packung Müsli, lief ins Haus und stellte sie für Mama auf den Küchentisch.