Die Leute lachten und machten sich über den Sheriff lustig als sie hörten, wie Robin ihn zum Narren gehalten hatte. Das ärgerte den Sheriff sehr. Er schwor, den Kesselflicker zu hängen, wenn er seiner habhaft würde. Dass Robin einer Vorladung nicht gefolgt war, wollte er persönlich dem König berichten. Deshalb bereitete er sich auf eine Reise nach London vor.
Die Eskorte des Sheriffs wurde mit neuen Waffen ausgestattet, so dass bis spät in die Nacht die Schmiedefeuer glühten. Als endlich alles bereit war, brach man auf. Achtundvierzig Stunden später tauchten die Türme der Stadt London vor den Reisenden auf. Der Sheriff und seine Leute ritten in die Stadt und wurden von vielen Menschen auf der Straße wegen ihrer schimmernden Rüstungen und die prächtigen Rüstungen bewundert. Der Sheriff und seine Leute ritten zum Hof von König Heinrich und seiner schönen Frau Eleonore von Aquitanien.
"Was wollt ihr?", fragte der König. Der Sheriff von Nottingham verbeugte sich untertänig. "Mein Herr und König, im Sherwood-Forest treibt ein Räuber sein Unwesen. Sein Name ist Robin Hood. Ich ließ ihm eine Vorladung zu stellen, aber er verprügelte den Boten und entwendete die Vorladung. Er lebt von Eurem Wild und beraubt brave Männer auf Euren Landstraßen."
Der König hörte den Klagen des Sheriffs mit ernster Miene zu. Als dieser geendet hatte, sagte der König: "Ich habe von diesem Robin gehört und muss zugeben, dass mich seine Streiche manchmal zum Schmunzeln brachten. Ich weiß, dass er unverschämt und frech ist, aber er hat auch Charme. Was also soll ich Eurer Meinung tun? Wie ich sehe, sind Eure Männer schwer bewaffnet. Und da wollt Ihr behaupten, Ihr könntet nicht selber für Recht und Ordnung sorgen? Ihr verschwendet meine Zeit. Verschwindet, und seht zu, was Ihr selber gegen diesen Robin ausrichten könnt. Aber bedenkt, dass Ihr kein Sheriff für uns seid, wenn Ihr nicht mit dem Schlitzohr Robin fertig werdet. Und nun fort mit Euch!"
Der König drehte sich um und ließ den Sheriff stehen. Dieser kochte vor Wut und ärgerte sich, dass er so viele Männer mit nach London gebracht hatte. Nun hielt der König ihn für einen Versager, der trotz einer beeindruckenden Schar Recht und Gesetz nicht durchsetzen konnte.
Langsam ritt er mit seinen Männern nach Nottingham zurück und dachte dabei darüber nach, wie er Robin eine Falle stellen könnte. Schließlich hatte er eine Idee. "Ich muss Robin nach Nottingham locken, denn dort kann er mir nicht entwischen. Und wie stelle ich das an? Ganz einfach: Wir veranstalten ein Preisschießen mit einem schönen Preis. Sicherlich könnte ich Robin so dazu verleiten, sich nach Nottingham zu begeben."
Kaum hatte der Sheriff also Nottingham erreicht, da schickte er in alle Himmelsrichtungen Boten aus, die das Preisschießen ankündigten. Eingeladen war jeder, der mit einem Bogen umgehen konnte. Der Preis aber für den besten Schützen sollte ein Pfeil aus reinem Gold sein.
Auch Robin hörte von diesem Preisschießen. Er versammelte seine Männer um sich und sagte: "Der Preis bei diesem Wettbewerb soll ein Pfeil aus Gold sein. Ich finde, einer von uns sollte diesen Preis bekommen. Ein goldener Pfeil ist ein wirklich schöner Pfeil und außerdem hat unser Sheriff diesen Preis gestiftet." Robins Männer lachten. Der junge David aus Doncaster bemerkte: "Robin, das ist eine Falle. Ich komme gerade aus dem "Blauen Eber" und bin mir sicher. Der Sheriff will dich mit diesem Preisschießen in die Falle locken. Bleib lieber hier im Wald, sonst wird es dir noch schlecht ergehen." Robin sah seinen Gefolgsmann freundlich an: "Du bist sehr aufmerksam, David, und ich danke dir für deinen Warnung. Aber ich lasse mir nicht sagen, dass ich mich vom Sheriff von Nottingham einschüchtern lasse. Ich werde an diesem Bogenschießen teilnehmen. Natürlich werden wir zu einer List greifen und uns verkleidet nach Nottingham schleichen. Ich selbst möchte den goldenen Pfeil erringen und wenn ich ihn habe, hängen wir ihn als Siegeszeichen an unsere große Eiche. Seid ihr dabei?" Robin Männer brachen in einen begeisterten Jubel aus. "Wir sind dabei!"
Der Tag des Preisschießens kam heran. Nottingham war prächtig geschmückt. Es gab Tribünen für die Ritter und die Gutsherren samt ihrer Damen. Ein mit bunten Bändern geschmückter erhöhter Sitz stand für den Sheriff und seine Gemahlin bereit. Überall flatterten bunte Fähnchen und Wimpel, wer Durst hatte konnte sich mit Bier versorgen, das für die Schützen bereit stand. Schon früh begannen sich die Tribünen zu füllen und das ärmere Volk lagerte auf der Wiese vor dem Turnierplatz. Die Schützen sollten sich in einem großen Zelt versammeln. Dort sprachen sie über frühere Erfolge und überprüften noch einmal ihre Pfeile und ihren Bogen. Es waren berühmte Bogenschützen unter ihnen, wie Gilbert o' the Red Cap, Diccon Cruikshank und Adam o' the Dell. Aus dem ganzen Land waren diese Schützen angereist, um an dem großen Preisschießen des Sheriffs teilzunehmen.
Der Sheriff erschien, als die Tribünen besetzt waren. Er war prächtig gekleidet und ritt auf einem edlen Ross. Seine Gemahlin war wie er auf das Prächtigste gekleidet und sie ritt eine braune Stute. Als beide ihren Platz eingenommen hatten, blies der Herold in sein silbernes Horn und verkündete dann die Regeln des Wettkampfes. "Der Standplatz ist hundertfünfzig Yard vom Ziel entfernt. Jeder darf einen Pfeil schießen. Die zehn besten Schützen werden ausgewählt und dürfen wieder schießen. Jeder dieser zehn darf zwei Pfeile schießen. Dann werden die drei besten Schützen gegeneinander antreten, die noch einmal drei Pfeile schießen dürfen. Der Beste von diesen letzten Dreien erhält den Preis."
Während der Herold die Regeln erklärte, suchte der Sheriff mit den Augen die Menge ab. Wo war Robin Hood? Hatte er die Falle vielleicht gewittert und war gar nicht erschienen? Der Wettkampf begann. Die Schützen traten gegeneinander an und zeigten wahres Können. Unter den zehn Besten befanden sich dann auch Gilbert o' the Red Cap, Adam o' the Dell, Diccon Cruikshank, William o' Leslie, Hubert o' Cloud, Swithin o' Hertford, des Weiteren zwei Freibauern aus Yorkshire, ein groß gewachsener Fremder aus London und ein Fremder, dessen Gewänder scharlachrot, aber sehr zerrissen waren. Er trug eine Binde über einem Auge.
Der Sheriff ließ seine Augen wandern. "Seht ihr unter diesen zehn etwa den Räuber Robin Hood?", fragte er nervös einen Ritter, der neben ihm stand. Der Ritter schüttelte den Kopf. "Sechs von diesen Männern sind mir persönlich bekannt. Der eine Fremde hat einen braunen Bart und der von Robin ist blond. Außerdem ist er auf einem Auge blind. Der andere Fremde ist zu schmal. Von den beiden Freibauern aus York ist der eine zu groß, der andere zu klein, um Robin zu sein." "Dann ist dieser Robin Hood also auch noch ein Feigling!", schnaubte der Sheriff verächtlich.
Der Wettkampf ging weiter. Drei Schützen durften ihr Glück abermals versuchen. Es waren Gilbert o' the Red Cap, Adam o' the Dell und der zerlumpte Fremde mit den scharlachroten Gewändern. Die Menge jubelte den Schützen zu. "Wenn du gewinnst, gebe ich dir noch hundert Silberpennys obendrein.", rief der Sheriff Gilbert o' the Red Cap zu, denn dieser war ein Mann des Sheriffs. Gilbert nickte und spannte seinen Bogen. Der Pfeil surrte und bohrte sich nur einen Fingerbreit über dem Zentrum in die Zielscheibe. Während die Menge noch jubelte, trat der zerlumpte Fremde vor, spannte seinen Bogen und schoss. Das alles ging so schnell, dass man kaum den Pfeil mit den Augen verfolgen konnte. Und doch traf er viel genauer als vor ihm Gilbert o' the Red Cap.
"Ein vorzüglicher Schuss.", gab der Sheriff zu und beobachtete Adam o' the Dell. Auch dieser traf die Zielscheibe in der Nähe des Zentrums. Beim zweiten Durchgang lag der Fremde wieder vorn. Bei dritten Mal traf Gilbert o' the Red Cap fast das Zentrum und der Sheriff glaubte, damit wäre der Wettkampf schon entschieden. Da trat der Fremde vor, zielte und schoss wie schon zweimal zuvor. Sein Pfeil riss Gilberts Pfeil die Feder fort, bevor er sich genau in das Zentrum der Zielscheibe bohrte. Die Menge hielt den Atem an. Adam o' the Dell schüttelte den Kopf. "Ich schieße heute nicht mehr. Mit diesem Schützen kann sich keiner messen." Damit ließ er seinen Bogen sinken.
Der Sheriff ergriff das Wort. "Nun Fremder, wie ist dein Name? Hier ist dein Preis, den du dir redlich verdient hast." Der Fremde verbeugte sich und antwortete: "Ihr könnt mich Jack o' Teviotdale nennen, denn ich komme aus Teviotdale." "So lass dich feiern, Jack o' Teviotdale. Nie habe ich einen besseren Bogenschützen gesehen. Nicht einmal Robin Hood, der feige Hund, übertrifft dich. Tritt in meine Dienste und du wirst vom Besten essen und trinken. Zu Weihnachten bekommst du achtzig Taler und eine bessere Jacke als die deine." "Ich will frei bleiben und keinen Herren in England über mir wissen.", sagte der Fremde grob. "Was fällt dir ein!", ereiferte sich der Sheriff. "Mach dich fort oder ich lasse dich für deine Unverschämtheit prügeln." Damit ließ er den Gewinner des Preisschießens stehen.
Am Abend saß eine recht bunte Schar unter der Eiche im Sherwood-Forest. Neben vielen Barfüßer-Mönchen sah man Kesselflicker, Bettler und Landleute sitzen und einen zerlumpten Mann, der scharlachrote Gewänder trug. In der Hand hielt einen goldenen Pfeil. Lachend riss er sich die Augenbinde herunter und zog die Lumpen aus. Nun war er grün gekleidet und ohne Zweifel der Herr der Wälder, Robin Hood. "Nie hätte ich geglaubt, dass es so leicht sein würde!". Lachte er. "Ein bisschen Walnusssaft für den Bart und ein schmutziges Gewand mit Augenbinde. Oh, Sheriff, du lässt dich sehr leicht täuschen." Auch die anderen Männer lachten.
Alle setzten sich zu einem feierlichen Mahl zusammen. Robin sagte zu Little John: "Ich würde unseren Sheriff gerne wissen lassen, wer den Pfeil gewonnen hat. Ich bin nicht der Feigling, für den er mich hält." Little John nickt. "Will Stutley und ich werden das übernehmen. Wir werden unserem dicken Sheriff eine unerwartete Botschaft zu kommen lassen."
Der Sheriff saß an diesem Abend an seinem Tisch und verzehrte sein Abendmahl. Mit ihm schmausten rund achtzig Männer aus seinem Gefolge. Sie alle unterhielten sich über das Preisschießen. Am lautesten tönte der Sheriff: "Wer hätte gedacht, dass Robin Hood so ein Feigling ist? Das habe ich wirklich nicht erwartet. Aber wer war der freche Kerl, der es ablehnte in meine Dienste zu treten? Er war sicher nicht immer in Lumpen gekleidet, das konnte ich an seiner Haltung sehen. Aber er war wirklich sehr unverschämt." In diesem Moment klirrte es heftig und die Gesellschaft fuhr erschreckt zusammen. Dann entdeckten sie einen Pfeil, der durch das Fenster geschossen worden war. Er trug ein Pergament mit einer Botschaft.
Unsrem dicken Sheriff ins Angesicht
der freche zerlumpte Schütze spricht.
Wir trinken auf Euer langes Leben,
denn ihr habt Robin den Preis gegeben.
Der Sheriff wurde rot vor Wut.