Dickon kümmerte sich nicht nur um den geheimen Garten. Er hatte auch noch einen Gemüsegarten zu Hause, an der Moorhütte. Hier arbeitete er frühmorgens und spät abends und an den Tagen, in denen er nicht zu Mary und Colin ging.
Abends gesellte sich oft seine Mutter zu ihm und hörte sich an, was Dickon den Tag über alles erlebt hatte.
Sie erfuhr auch von dem geheimen Garten, weil alle einstimmig beschlossen hatten, dass sie davon wissen durfte. Dickon berichtete ihr von Colin und seinen Besuchen im Garten und seiner Genesung.
"Es ist ein Glück, dass das kleine Mädchen nach Misselthwaite gekommen ist", sagte Mrs. Sowerby. "Es war für Colin die Rettung. Wir haben alle gedacht, er sei schwachsinnig und habe kranke Knochen. Und jetzt steht er auf seinen eigenen Füßen."
Sie fragte Dickon, wie die Menschen im Herrenhaus es sich erklärten, dass Colin keine Anfälle mehr hatte.
"Sie können es sich nicht erklären", antwortete Dickon. "Colin hat sich sehr verändert, er hat runde Backen bekommen und sieht längst nicht mehr so blass und krank aus. Aber er möchte nicht, dass es auffällt und versucht, wie früher wegen allem zu jammern."
"Warum macht er das?", wollte Mrs. Sowerby wissen.
"Damit der Doktor nicht merkt, dass es ihm so gut geht. Weil der dann nämlich an Mr. Craven einen Brief schreibt und es ihm mitteilt. Colin möchte aber seinen Vater selbst damit überraschen, wenn er wieder da ist. Er tut sogar so, als wenn er nicht einmal seinen Kopf anheben könnte, wenn die Diener um ihn sind. Und Mary spielt mit und fragt ihn, ob es wieder so schlimm sei mit den Schmerzen. Sie haben beide ihren Spaß daran und lachen sich später darüber halb kaputt", erzählte Dickon.
"Lachen ist gut. Je mehr sie lachen desto besser", meinte Dickons Mutter. "Essen sie denn gut?"
"Sie sind beide schon dicker geworden und haben großen Hunger. Aber sie können nicht so viel essen, weil die Leute sonst nicht mehr glauben, dass Colin krank ist. Einmal ist der Doktor schon verwundert gewesen wegen Colins Appetit und hat viele Fragen gestellt, als er sah, welch große Portion er gegessen hatte", sagte Dickon.
Da hatte Mrs. Sowerby eine Idee. Sie wollte den Kindern jeden Tag Brötchen und Milch mitgeben. Daran könnten sie sich im Garten satt essen.
Dickon freute sich über den guten Einfall seiner Mutter, die scheinbar immer eine Lösung wusste.
Nach dem Vorfall mit dem Doktor hatten sich Mary und Colin dazu entschlossen, weniger zu essen. Es war nicht einfach, weil sie jeden Morgen gewaltigen Hunger hatten. Umso mehr freuten sie sich, als Dickon nach zwei Stunden gemeinsamer Arbeit, aus einem Busch zwei Kannen Milch und Brötchen hervor zog.
Sie waren Mrs. Sowerby von Herzen dankbar und beschlossen, ihr für diese Extra-Mahlzeiten einen Teil ihres Taschengeldes zukommen zu lassen.
Von nun an schlemmten die Kinder jeden Tag in ihrem Garten. Dickon legte eine Feuerstelle an, auf der sie Kartoffeln rösteten und Eier brieten.
Nach dem Frühstück im Garten machte Colin Gehübungen und bald machten die Kinder täglich zusammen Turnübungen. Davon wurde Colin noch schnell kräftiger und auch Mary konnte immer besser turnen.
Weil die Mahlzeiten, die Mrs. Sowerby ihnen mitgab, so üppig waren, konnten sie im Herrenhaus die Teller fast voll zurückgeben. Das stiftete im Haus wieder Verwirrung. "Jetzt essen sie gar nichts mehr", stöhnte die Krankenschwester und prophezeite, dass sie an Unterernährung sterben würden.
Nach zwei Wochen besuchte Doktor Craven seinen Patienten wieder. "Warum isst du plötzlich nichts mehr?", fragte dieser. "Vor zwei Wochen noch hattest du doch einen so großen Appetit und hast auch schon sehr gut zugenommen."
"Es war ein unnatürlicher, kranker Appetit", sagte Colin ernst.
Mary musste an die dicke Kartoffel denken, die er vor einer Stunde hungrig gegessen hatte und wie er in ein Brötchen mit Marmelade und Sahne gebissen hatte. Sie musste sich sehr zusammenreißen, um nicht lauthals zu lachen.