Die Sonne stand hoch am Himmel, als ich aufwachte. Ich lag noch eine Weile im Gras und dachte über dies und das nach. Ich fühlte mich ausgeruht und ziemlich zufrieden.
Ich döste wieder ein, da hörte ich ein tiefes Bum, Bum. Auf Ellbogen gestützt lauschte ich, sprang auf und lugte durchs Gebüsch zum Fluss. Bum! Weißer Qualm quoll aus der Seite der Fähre. Sie feuerten Kanonen ab, damit meine Leiche an die Oberfläche kommen sollte. Sie suchten mich!
Ich war hungrig. Aber ich konnte kein Feuer machen, weil man es vielleicht gesehen hätte. Da wartete ich ab. Es hieß, die Leute würden Quecksilber in ein Brot stecken und das dann aufs Wasser legen. Das würde direkt auf den Toten zutreiben. Ich musste also nur warten, bis so ein Brot mal in meine Richtung schwimmen würde.
Beim ersten Versuch hatte ich Pech. Doch beim nächsten hatte ich Glück. Ich zog das Brot aus dem Wasser, schüttete das Tröpfchen Quecksilber auf die Erde und zog mich mit der Beute auf den nächsten Baumstamm zurück. Im Glauben, dass die Witwe oder der Pastor bestimmt gebetet hatten, damit das Brot mich findet, machte ich mich über dieses leckere Bäckerbrot her.
Ich zündete mir eine Pfeife an und guckte weiter nach der Fähre. Als sie ziemlich nah war, machte ich meine Pfeife aus und legte mich hinter einen Baumstamm. Sie wurde so nah an die Insel getrieben dass die Leute hätten bequem über eine Planke an Land gehen können. Ich hörte, wie der Kapitän sagte, er hoffe, meine Leiche hier zu finden, an Land gespült! Ich hoffte das natürlich nicht.
Nachdem sie direkt vor mir eine Kanone abgefeuert hatten - ich glaubte, mir würden die Ohren wegfliegen - fuhren sie den Rest des Ufers ab, die andere Seite ebenfalls. Von Zeit zu Zeit schossen sie ihre Kanone ab. Später gaben sie das Suchen auf und steuerten wieder auf das Städtchen zu.
Ich holte mein Zeug aus dem Kanu und machte es mir im dichten Wald gemütlich. Aus Decken machte ich mir eine Art Zelt und dann fing ich einen Fisch. Als die Sonne unterging, zündete ich ein Lagerfeuer an und begann, mein Abendessen zu kochen. Gleichzeitig legte ich eine Angelschnur aus, um Fische fürs Frühstück zu fangen. Als es dann dunkel wurde, saß ich an meinem Feuer und rauchte und fühlte mich sauwohl. Dann ging ich schlafen. Die beste Möglichkeit die Zeit totzuschlagen, wenn man sich einsam fühlt.
So ging das einige Tage. Dann machte ich mich auf, die Insel zu erkunden. Hier war ich der Herr. Ich fand einen Haufen reife Erdbeeren, reife Trauben und unreife Brombeeren; aber die würden mit der Zeit auch noch essbar werden. So strolchte ich eine Weile durch den Wald, bis ich fast auf eine große Schlange getreten wäre. Sie huschte durchs Gras und ich versuchte sie zu fangen. Und plötzlich stand ich vor der Asche von einem Lagerfeuer, die noch rauchte.
Mir schlug das Herz bis zum Hals. Ich sah mich nicht weiter um und machte mich so schnell ich konnte aus dem Staub. Bei jedem Baumstamm hatte ich Angst, es wäre ein Mensch. Erst als ich in meinem Lager war, fühlte ich mich wieder sicher. Schnell packte ich meinen Kram wieder ins Kanu, machte das Feuer aus und verstreute die Asche so, dass es aussah, es wäre ein Lagerplatz vom letzten Jahr. Dann kletterte ich auf einen Baum.
Dort verharrte ich einige Zeit. Dann schlich ich durch den Wald, aß ein paar Beeren. Als es dunkel war, kletterte ich ins Kanu und paddelte bis zum anderen Ufer rüber. Da ging ich in den Wald und kochte mein Abendessen. Hier wollte ich die Nacht über bleiben.
Auf einmal hörte ich trab, trab, trab… mir war sofort klar, das sind Pferde. Und Stimmen hörte ich auch. Ich packte meinen Kram so schnell ich konnte wieder ins Kanu und kroch dann durch den Wald, um ein wenig auszuspionieren, wer das war. Ich war noch nicht weit, da hörte ich, wie ein Mann sagte, dass sie hier lagern sollten, weil die Pferde todmüde wären.
Ich wartete nicht länger, schlich zum Kanu zurück und paddelte weg. An einer anderen Stelle wollte ich im Kanu schlafen. Doch das konnte ich nicht lange aushalten. Ich hatte immer das Gefühl, jemand wollte mich am Hals packen. Deshalb paddelte ich weiter, bis zum Ende der Insel. Dann nahm ich meine Flinte und schlich durch den Wald. Nach einer Weile sah ich den Feuerschein durch die Bäume schimmern. Vorsichtig ging ich darauf zu, bis ich erkannte, dass da ein Mann auf der Erde lag; mit einer Decke überm Kopf.
Ich setzte mich einige Meter weit weg hinter einen Busch und beobachtete ihn. Bald gähnte der Mann, reckte sich und schlug die Decke zurück. Das war doch der Jim von Miss Watson! Mann, war ich froh, ihn hier zu sehen. "Hallo Jim!", rief ich.
Er sprang auf und starrte mich wild an. Dann fiel er auf die Knie und wimmerte: "Tu Jim nix, bitte. Jim hat immer Gutes getan, war immer freundlich zu toten Menschen. Geh wieder zum Fluss, wo du hingehörst. Tu mir nix, bitte!"
Es dauerte nicht sehr lange, bis ich ihm klar gemacht hatte, dass ich nicht tot war. Ich war froh, dass ich Jim gefunden hatte. Jetzt war es nicht mehr so einsam.
Jim war total ausgehungert. Schon seit mehreren Tagen lebte er von Erdbeeren und so. "Jim kann essen ganzes Pferd jetzt.", sagte er, als ich anfing von Frühstück zu reden. So gingen wir zusammen zum Kanu. Und während Jim zwischen den Bäumen Feuer machte, holte ich das Mehl, den Speck, den Kaffeetopf und die Bratpfanne, den Zucker und den Zinnbecher. Jim ist aus dem Staunen gar nicht mehr herausgekommen. Dann fing ich noch einen großen Fisch und Jim machte ihn mit seinem Messer sauber und briet ihn.
Als das Frühstück fertig war, setzten wir uns auf die Erde und aßen alles ganz heiß. Jim kniete sich fast schon rein, weil er so ausgehungert war. Anschließend dösten wir mit unseren vollen Bäuchen vor uns hin.
Nach einer Weile erzählte ich Jim die ganze Sache und er meinte, das wäre super. Tom Sawyer hätte keinen besseren Plan austüfteln können, meinte er. Dann erzählte Jim, dass die alte Miss Watson immer auf ihm rumgehackt hätte. Und als ein Negerhändler in den Ort gekommen ist, bekam Jim es mit der Angst zu tun. Er hat gar nicht erst gewartet, ob sie ihn verkaufen wollte. Er ist gleich ausgebüchst. Über viele Umwege ist er dann an diesem Fleck gelandet.
Wir versprachen uns gegenseitig, uns nicht zu verraten. Jim erzählte noch eine Weile seine Geschichten und von unheimlichen Vorzeichen. Kein anderer wusste in solchen Sachen so gut Bescheid wie Jim.
Doch er wusste auch von guten Zeichen zu berichten. Zum Beispiel, dass man reich werden würde, wenn man viele Haare auf Armen und Brust hätte. Doch obwohl Jim sehr behaart war, sollte es noch dauern, bis er zu Reichtum gelangte, denn er wurde mehrere Male um sein Geld gebracht, weil er so gutgläubig war.
Am Ende erklärte er mir: "Und jetzt ist Jim auch sehr reich. Er ist sein eigener Herr, und das ist mehr wert als hundert Dollar.