Der Kröterich führte seine Gäste zum Hof. Misstrauisch folgte die Ratte ihm. Zwischen den Stallungen sahen sie einen Zigeunerwagen. Er war kanariengelb angepinselt, grün abgesetzt und hatte knallrote Räder. Mit stolzgeschwellter Brust stand Kröterich mit gespreizten Beinen vor ihnen. "Das ist das wahre Leben, Freunde. Mit diesem Karren auf offener Landstraße unterwegs über die Heide, die Gemeindewiese, Zeltlager, Dörfer bis in die Großstädte! Heute hier, morgen woanders! Aufregung, Abenteuer, Reise… Die Welt liegt euch zu Füßen", rief er begeistert. "Ihr seht hier ausnahmslos den besten Wagen, der je gebaut wurde. Kommt herein und seht. Alles selbst entworfen, ehrlich!"
Voller Begeisterung folgte der Maulwurf dem Kröterich die schmalen Treppen hinauf ins Wageninnere. Die Ratte hingegen schnaubte nur, blieb bockig stehen und steckte ihre Pfoten in die Jackentasche.
Der Karren war gemütlich eingerichtet. Kleine Schlafplätze, ein winziger Klapptisch, ein Ofen, Bücherregale, ein Vogel in einem Käfig und Töpfe, Pfannen, Gläser und verschiedene Kessel. Es war alles da, Kekse, Hummer, Sardinen, Wasser und Tabak, Briefpapier, Marmelade, Spiele … "Ihr werdet sehen, ich habe nichts vergessen", sagte Kröterich stolz, "wir können getrost heute Mittag losfahren."
"Wie war das", fragte die Ratte nach. Sie kaute gerade an einem Strohhalm. "Habe ich da richtig gehört - du hast heute Nachmittag gesagt?"
"Aber Ratte, guter alter Freund", sagte Kröterich vorwurfsvoll, "du willst doch nicht kleinlich werden, oder? Ihr müsst einfach mitkommen; ohne euch schaffe ich es nicht. Also gut, dann wäre das jetzt geregelt. Streit könnte ich nämlich nicht ertragen. Außerdem wirst du wohl nicht den Rest deines Lebens an diesem jämmerlich stinkenden Flussufer zubringen wollen oder gar in deinem Boot. Ich werde dir die Welt zeigen. Aus dir soll ein richtiges Tier werden, alter Junge!"
"Ist mir doch egal", maulte die Ratte, "ich komme jedenfalls nicht mit. Mein Leben ist schön so wie es ist. Und dem Maulwurf gefällt es auch so, stimmt es nicht, Maulwurf?"
Der Maulwurf stimmte halbherzig zu. "Natürlich," sagt er, "was immer du möchtest wird geschehen, Rattenschätzchen. Dennoch, das Abenteuer hätte schon Spaß machen können", sagte er mit sehnsuchtsvoller Stimme. Armer Maulwurf. Es war alles noch so neu für ihn und dieses abenteuerliche Leben klang so verlockend und nun machte ihm die Ratte einen Strich durch die Rechnung. Und das, wo er sich doch sogleich in den wunderhübschen kanariengelben Karren verliebt hatte.
Die Ratte hörte die Enttäuschung heraus und zögerte. Sie mochte den Maulwurf. Kröterich beobachtete seine Gäste genau.
"Esst mit mir zu Mittag", lud er die Beiden diplomatisch ein, "dann können wir noch über dieses Abenteuer sprechen. Es eilt ja nicht. Ich wollte euch eigentlich nur eine Freude machen. Immer zuerst an andere denken, das ist mein Lebensmotto!"
Während des Mittagessens legte Kröterich dann richtig los. Er schwärmte in den höchsten Tönen von dem zu erwartenden Abenteuer, dem ungebundenen Leben in höchster Freiheit, einem Leben auf der staubigen Landstraße. Den Maulwurf hielt auf seinem Stuhl nichts mehr. Nach einer Weile war die bevorstehende Reise beschlossene Sache. Auch wenn die Ratte noch nicht ganz überzeugt war, sein gutmütiges Herz ließ ihn nachgeben. Seine Freunde planten bereits die nächsten Wochen aufs Genaueste.
Später führte Kröterich sie auf die Weide, den alten Hengst einzufangen. Er war vorher nicht gefragt worden und zeigte sich empört, dass ihm die staubigste Arbeit zukommen sollte. Zuerst wollte er nicht mitkommen und es dauerte eine Weile, bis die drei ihn überredet hatten. In der Zwischenzeit hatte Kröterich die Schubladen im Karren mit Unentbehrlichem und Notwendigkeiten gefüllt.
Aber dann sollte es bald losgehen, das Abenteuer. Aufgeregt plapperten sie durcheinander, sie liefen neben dem Wagen her, setzten sich gelegentlich auf die Deichsel - gerade wie es ihnen gefiel. Es war ein herrlicher Nachmittag, die Vögel zwitscherten, selbst der Staub duftete befriedigend, fröhliche Wanderer riefen ihnen einen Gruß zu oder blieben gar stehen, einige Schmeicheleien über den tollen Wagen auszutauschen. Die Karnickel vor ihren Häusern schlugen die Pfoten vors Gesicht und riefen: "Oh weia, oh weia!"
Nachmittags machten sie müde und glücklich auf einer Gemeindewiese Halt. Sie waren zwischenzeitlich kilometerweit von zuhause weg. Den Hengst ließen sie grasen, sie selbst setzten sich neben dem Karren ins Gras und nahmen ein einfaches Abendbrot zu sich. Kröterich prahlte bereits im Voraus, welche Abenteuer er in den kommenden Tagen bestreiten würde. In seinen Schwärmereien wurden die Sterne heller und der gelbe Mond, der inzwischen über sie wachte, lauschte andächtig.
Nachts legten sie sich in ihre Kojen im Karren. Kröterich brachte gerade noch ein müdes "Gute Nacht, liebe Freunde!" heraus, "dies ist doch das wahre Leben für uns bessere Leute. Aber ihr, redet nur weiter über euren Fluss", setzte er noch hinzu, bevor er in tiefe Träume verfiel.
"Wir schwatzen gar nicht vom Fluss", setzte sich die Ratte zur Wehr, "ich denke halt an ihn." Er war eben eine sehr gefühlvolle Ratte. Der Maulwurf legte sich ganz nah zur Ratte, tastete in der Dunkelheit nach dessen Pfote. "Rattenschätzchen, ich mache alles was du willst. Sollen wir morgen früh wieder zurück zum Fluss gehen?", fragte er freundschaftlich.
"Aber nein, wir müssen das jetzt durchhalten", flüsterte die Ratte. Sie bedankte sich, ließ aber keinen Zweifel daran, dass der Kröterich sie beide jetzt brauche. "Es wäre zu gefährlich, wenn er auf sich alleine gestellt wäre. So lange wird seine neue Verrücktheit wahrscheinlich nicht dauern. Das tun sie normalerweise nie. Und jetzt - gute Nacht!"