Der Maulwurf wollte schon lange die Bekanntschaft vom Dachs machen. Diese bedeutende Persönlichkeit schien ihm interessant. Denn, obwohl er selten zu sehen war, war sein Einfluss in der Gegend unverkennbar. Doch stets fand die Ratte einen Grund, dem Maulwurf diesen Wunsch abspenstig zu machen.
"Wenn der Dachs einmal zufällig des Weges kommt, werde ich dich schon vorstellen", sagte er. "Der Dachs ist der Beste und wenn man ihn trifft, kann man sich glücklich schätzen. Du musst ihn allerdings auch so annehmen wie er ist."
"Könnten wir ihn nicht einladen?", frage der Maulwurf hoffnungsvoll.
"Er würde gar nicht kommen", antwortete die Ratte, "Einladungen und Gesellschaften hasst der Dachs ebenso wie das ganze andere Gedöns."
Der Maulwurf bettelte noch eine ganze Weile, schlug vor, den Dachs zu besuchen. Doch Ratte konnte den kleinen Freund davon überzeugen, wie wenig passend das alles wäre. "Du musst warten. Eines Tages führt sein Weg sicher hier vorbei", vertröstete Ratte den Maulwurf.
Doch der Maulwurf wartete vergebens. Der Dachs kam nie vorbei und Maulwurf vergaß im Laufe des Sommers, dass ihm die Bekanntschaft des Dachses so wichtig war. Als der Sommer vorüber war, kam ihm sein dringlicher Wunsch wieder in den Sinn. Als Frost und Kälte wieder regierten und man nicht mehr Boot fahren konnte, da dachte Maulwurf wieder an den Dachs, der in seinem Bau, mitten im Wald wohnte.
Während des Winters pflegte die Ratte früh zu Bett zu gehen und spät wieder aufzustehen. Die kurzen Tage verwendete sie dazu, Gedichte zu schreiben oder ein wenig Hausarbeit zu verrichten. Auch kamen immer Tiere auf einen kleinen Plausch vorbei. Man scharte sich ums Feuer und besprach die Vorkommnisse des vergangenen Sommers. Trotzdem verfügte der Maulwurf noch über viel Zeit.
Als die Ratte eines Nachmittags seine Dichtkunst wieder an einem neuen Vers versuchte, der sich aber auch gar nicht reimen wollte, beschloss der Maulwurf, einen Ausflug in den wilden Wald zu machen. Womöglich ergab sich gerade heute die lange ersehnte Begegnung mit dem Dachs.
Es war ein unfreundlicher Winternachmittag, an dem der Maulwurf sich in den entlaubten wilden Wald begab. Eben und bedrohlich lag er vor ihm. Zu Beginn durchschritt er das Gelände noch furchtlos. Er entdeckte Vergnügliches und Erregendes. Doch als das Licht weniger wurde, schien ihm der Wald ein dunkleres Grün zu zeichnen. Die Bäume wurden zu gefährlichen Tieren, die aus allen Richtungen ihre grimmigen Mäuler aufsperrten. Tiefes Schweigen begleitete den Maulwurf und innerhalb kürzester Zeit umschloss ihn Dämmerung.
Jetzt schien es ihm, als würden die gefährlichen Fratzen sich bewegen. Ständig drehte er sich um, in der Angst eines dieser Untiere könnte ihn verfolgen. Doch stets waren sie wieder weg. Tapfer beschleunigte er seinen Schritt und beschloss, diese Einbildungen nicht weiter zu beachten. Doch je länger er mutig weiter marschierte, desto gefährlicher erschienen ihm die grimmigen Gesichter. Durchbohrende Augen verfolgten ihn und mit rasender Geschwindigkeit sprangen ihm hasserfüllte und durchdringende Blicke entgegen. Als dann aus dem Wald noch ein Pfeifen drang, das er nicht einordnen konnte, glaubte er, die Angst nicht mehr aushalten zu können.
Aber es sollte noch schlimmer kommen. Ein Klopfen durchbrach die nächtliche Geräuschkulisse von herabfallenden Blättern. In gleichmäßigem Rhythmus erkannte er das Trappeln von Füßen, die nicht sehr groß sein konnten. Und da streifte tatsächlich ein Tier hautnah an ihm vorbei, dass er noch mehr erschrak. Wie ein gehetztes Kaninchen suchte er schließlich Schutz in der Wurzelhöhle einer alten Buche.
Völlig erschöpft ließ er sich nieder. Der Maulwurf konnte nur hoffen, hier in Sicherheit ein wenig ausruhen zu können. Keuchend lauschte er dem Pfeifen und Trappeln draußen im gefährlichen Wald. Ja, das musste das Schreckliche sein, vor was die Ratte ihn hatte warnen wollen. Der Maulwurf hatte die Angst im wilden Wald unterschätzt.