Statt wie sonst sich demütig zu biegen und zu schmiegen, stolzieren sie trotzig daher und scheuen sich gar nicht, durch funkelnde Blicke, durch zorniges Knurren, ihre ursprüngliche wilde Natur zu verraten, auch wohl gar die Krallen zu zeigen. So wenig sie auf ein bescheidenes, stilles Betragen achten, ebensowenig ist ihnen daran gelegen, was das Äußere betrifft, als gesittete Weltleute zu erscheinen. Da ist an kein Putzen des Bartes, an kein Glänzendlecken des Fells, an kein Abreißen der zu lang gewordenen Krallen zu denken; zottig und rauh, mit struppigem Schweif rennen sie daher, allen gebildeten Katzen ein Greuel und Abscheu. Was aber vorzüglich tadelnswert erscheint und nicht geduldet werden darf, sind die heimlichen Zusammenkünfte, die sie zur Nachtzeit halten und dabei ein tolles Wesen treiben, welches sie Gesang nennen, unerachtet dabei nichts vernehmbar als ein widersinniges Geschrei, dem es an schicklichem Takt, ordnungsmäßiger Melodie und Harmonie gänzlich mangelt. Ich fürchte, ich 255fürchte, Meister Abraham, daß Euer Murr sich auch auf die schlechte Seite gelegt hat und teilnimmt an jenen unanständigen Belustigungen, die ihm nichts einbringen können, als tüchtige Prügel. — Es sollte mir leid tun, wenn alle Mühe, die Ihr auf den kleinen Grauen verwandt, umsonst wäre und, er sich, trotz aller Wissenschaft, zu dem gewöhnlichen, wüsten Treiben gemeiner, liederlicher Kater herabließe. — Als ich mich, meinen guten Muzius, meine hochherzigen Brüder verkannt sah, auf so schnöde Weise, entfloh mir unwillkürlich ein Schmerzenslaut. Was war das, rief der Professor, ich glaube gar, Murr sitzt doch versteckt im Zimmer! — Ponto! Allons! — Such, such!“ — Mit einem Satz war Ponto herunter von der Fensterbank und schnüffelte im Zimmer umher. Vor der Ofentüre blieb er stehen, knurrte, bellte, sprang herauf. — Er ist im Ofen, das hat keinen Zweifel! so sprach der Meister und öffnete die Türe. Ich blieb ruhig sitzen und blickte den Meister mit klaren, glänzenden Augen an. Wahrhaftig, rief der Meister, wahrhaftig, da sitzt er ganz hinten im Ofen. — Nun? — bequemt Er sich hervorzukommen? — Ob er hinaus will!
So wenig ich auch Lust hatte, meinen Versteck zu verlassen, so mußte ich doch wohl dem Befehl des Meisters gehorchen, wollte ich es nicht auf Gewalt gegen mich ankommen lassen und dabei den kürzeren ziehen. Langsam kroch ich daher hervor. Kaum war ich aber an das Tageslicht gekommen, als beide, der Professor und der Meister, laut riefen: Murr! — Murr! wie siehst du aus! — Was sind das für Streiche! —
Freilich war ich über und über voller Asche und kam noch hinzu, daß wirklich mein Äußeres seit einiger Zeit merklich gelitten, so daß ich mich in der Schilderung, die der Professor von schismatischen Katern gemacht, wiedererkennen mußte, so konnte ich mir freilich die erbärmliche Figur, in der ich erschien, wohl denken. Verglich ich nun eben meine erbärmliche Figur mit der meines Freundes Ponto, der in seinem stattlichen, glänzenden, schön gekräuselten Pelz in der Tat ganz hübsch anzusehen, so erfüllte mich tiefe Scham, und ich kroch still und betrübt in den Winkel.
Ist das, rief der Professor, der gescheute, sittige Kater Murr? der elegante Schriftsteller, der geistreiche Dichter, der Sonette schreibt und Glossen? — Nein, das ist ein ganz gemeiner Katz, der sich in Küchen auf den Herden herumtreibt und sich auf sonst weiter nichts versteht, als Mäuse zu fangen in Kellern und auf Böden! — Hoho! 256sag' mir doch, mein sittiges Vieh, ob du bald zu promovieren verlangst oder gar das Katheder zu besteigen als Professor der Ästhetik? — In der Tat, ein netter Doktorhabit, in den du dich geworfen! —
So ging es fort in verhöhnenden Redensarten; was konnt' ich tun, als, wie es bei derlei Fällen, nämlich: wenn ich ausgehunzt wurde, meine Sitte war, die Ohren dicht ankneifen an den Kopf.
Beide, der Professor und der Meister, schlugen zuletzt eine helle Lache auf, die mir das Herz durchbohrte. Beinahe noch empfindlicher war mir aber Ponto's Betragen. Nicht allein, daß er durch Mienen und Gebärden den Hohn seines Herrn teilte, so bewies er auch durch allerlei Seitensprünge offenbar seine Scheu sich mir zu nahen, wahrscheinlich fürchtete er seinen schönen, reinen Pelz zu beschmutzen. Es ist nichts Geringes für einen Kater, der sich solcher Vortrefflichkeit bewußt ist, als ich, von einem stutzerhaften Pudel dergleichen Verachtung dulden zu müssen.