Auszüge aus meinem Tagebuch.
16. Oktober
Heute ist ein trüber, nebliger Tag mit andauerndem Nieselregen. Eine melancholische Stimmung durchzieht unser Haus. Nach den Aufregungen der vergangenen Nacht lässt die Laune des Barons zu wünschen übrig. Mir selbst ist schwer ums Herz und ich fühle die drohende Gefahr, die uns umgibt. Es ist beklemmend.
Aufgrund der Zwischenfälle könnte man meinen, dass eine unheimliche Macht um uns herum regiert. Das unglaubliche Heulen des Bluthundes, seine Fußspuren in gespenstischer Größe … Trotzdem behält meine Eigenschaft des gesunden Menschenverstands die Oberhand und ich kann an diese dubiosen Kräfte nicht glauben.
Wo sollte so ein riesiger Bluthund denn Nahrung finden auf dem Moor und weshalb sieht man ihn nie bei Tag? Außerdem waren in London - der Mann in der Kutsche - auf jeden Fall menschliche Kräfte im Spiel. Aber hatte dieser Mann nun Sir Henry gewarnt, wie ein Freund - oder war es das Werk eines Feindes? Womöglich war es der Fremde, den ich auf der Felsenspitze erblickt habe?
Wir werden also immer noch von einem Fremden verfolgt, den wir nie abschütteln konnten. Diesen Mann muss ich unbedingt finden. Zuerst wollte ich Sir Henry an meinen Gedanken teilhaben lassen. Doch dann beschloss ich, auf eigene Faust zu handeln und möglichst wenig darüber zu sprechen. Sir Henry war seit der letzten Nacht nervlich wenig stabil.
Heute Morgen bat Sir Henry seinen Butler um eine Unterredung. Barrymore war erst einige Minuten in der Bibliothek, als der Baronet mich hinzurief. Barrymore monierte, dass wir seinen Schwager, Herrn Selden, gejagt hätten. Er versicherte uns, dass Selden in wenigen Tagen auf einem Schiff nach Südamerika unterwegs wäre. Wir sollten ihm doch noch einige Tage Zeit geben, dann wäre die Sache erledigt. Bis dahin, so versicherte er uns, würde dieser Selden sicher keinem Menschen was zuleide tun. Schließlich wäre er dann ja endgültig verloren.
Das leuchtete uns ein und Sir Henry versprach, in dieser Sache nun doch nicht die Polizei einzuschalten. "Ich kann mich nicht entschließen, diesen Schurken anzuzeigen. Barrymore, sie können jetzt gehen", schloss Sir Henry die Unterredung.
Barrymore zögerte, bevor er noch einmal zu seinem Dienstherren zurückging. "Sir Henry, Sie waren bisher so gut zu uns. Ich weiß etwas und hätte es gewiss früher mitteilen müssen. Es bezieht sich auf den Tod von Sir Charles."
Sir Henry und ich schnellten gleichzeitig auf. Da berichtete der Butler, dass er wisse, auf wen Sir Charles gewartet hatte in jener Nacht.
"Er hatte eine Verabredung mit einer Frau. Ich weiß nicht, wie sie heißt, aber die Anfangsbuchstaben ihres Namens lauten L. L. Ich weiß das, weil meine Frau beim Aufräumen des Arbeitszimmers auf einen halb verbrannten Brief im Kamin gestoßen ist. Sie zog den letzten, nicht verkohlten Streifen heraus und zeigte ihn mir. Darauf stand: Bitte, da Sie ein Gentleman sind, verbrennen Sie diesen Brief und seien Sie um 10.00 Uhr am Tor. Leider zerfiel dieser Streifen alsbald zu Asche und ich kann ihn Ihnen nicht mehr zeigen. Der Brief war von Coombe Tracy gekommen und von Frauenhand geschrieben."
"Danke Barrymore, Sie können gehen", sagte Sir Henry aufgewühlt.
Und nun überlegen wir, wer L. L. denn sein könnte. Dann nämlich würde sich die ganze Sache aufklären. Diese Nachricht wird Holmes sicher dazu bewegen, endlich herzukommen und die Sache selbst zu erforschen. Doch die Berichte aus der Baker Street waren in letzter Zeit spärlich, was darauf schließen lässt, dass Holmes in London sehr beschäftigt ist. Trotzdem müsste dieser neue Aspekt in der Angelegenheit seine berühmte Spürnase zum Leben erwecken und ich wünschte, er wäre schon hier …