Dr. James Mortimer hielt einige handbeschriebene Blätter in die Höhe und verkündete: "Bei diesem Manuskript handelt es sich um ein Familienpapier aus dem Jahre 1742. Sir Charles Baskerville persönlich vertraute es mir an. Sie erinnern sich - sein tragischer Tod vor drei Monaten verursachte in ganz Devonshire Aufregung. Ich möchte erwähnen, dass ich nicht nur sein ärztlicher Berater sondern auch sein persönlicher Freund war. Sir Charles Baskerville war ein energischer, praktisch denkender Mann. Trotzdem nahm er dieses Familiendokument sehr ernst und er war innerlich auf genau solch einen Tod vorbereitet, wie er dann tatsächlich eingetreten war."
Holmes nahm das Papier in seine Hände und begutachtete es genauer. Ich blickte ihm über die Schultern und bemerkte: "Soll wohl so eine Art Bericht sein, oder?"
"Ja", antwortete Dr. Mortimer, "es ist die Familiengeschichte der Baskervilles."
"Ich dachte, Sie wollten mich wegen einer aktuellen Angelegenheit konsultieren?" Holmes lehnte sich zurück und wartete.
Dr. Mortimer las mit hoher, brüchiger Stimme die eigenartige alte Geschichte vor:
Damals gehörte dieses Schloss von Baskerville einem gewissen Hugo von Baskerville. Er war ein besonders rücksichtsloser und ungläubiger Mensch. Vielleicht hätten seine Nachbarn ihm diese Schwächen verziehen, hätte er nicht ein junges Mädchen entführt - die Tochter eines Bauern. Während er mit seinen ebenso lasterhaften Freunden einem Saufgelage frönte, sperrte er das arme, einschüchterte Mädchen in eines der Zimmer. Doch das Mädchen wagte in seiner großen Verzweiflung, über Efeuranken die Südmauer hinabzuklettern und rasch über das Moor in Richtung ihres Elternhauses zu fliehen.
Als Hugo von Baskerville ihr Verschwinden bemerkte, hetzte er mit seinen Hunden in wilder Jagd über das mondbeschienene Moor. Seine betrunkenen Kumpane folgten wenig später. Sie begegneten einem Nachthirten, der ihnen erzählte, dass er besagtes Mädchen und den Mann gesehen habe. Doch er hatte noch mehr gesehen - Hugo von Baskerville wurde auf seiner schwarzen Stute von einem Höllenhund verfolgt, wie er ihn nie zuvor gesehen hatte. Die Männer ritten, verärgert ob dieses Unsinns, weiter.
Nach einer Weile trafen sie auf die sonst so jagdwütigen, mutigen Hunde ihres Freundes. Die Herde winselte, zusammengedrängt am Rande eines tiefen Grabens. Die Mutigen unter den Reitern folgten der Spur den Graben hinunter. Der Mond schien hell über der Lichtung, deshalb sahen sie sogleich das Mädchen tot daliegen, vor Erschöpfung und Angst zusammengebrochen. Ganz in ihrer Nähe lag Hugo von Baskerville. Doch nicht der Anblick der Leichen bestürzte die angetrunkenen Männer. Über Hugo von Baskervilles Leichnam stand ein großes schwarzes Tier, der Gestalt nach ein Jagdhund und riss an seinem Hals. Der Jagdhund war größer, als je zuvor ein Mensch gesehen hatte. Sie sahen sich einem riesigen Tier gegenüber, einer Bestie, die sich mit glühenden Augen und bluttriefendem Kiefer ihnen zuwandte. Drei der Männer starben ebenfalls in dieser Nacht.
Danach lag ein Fluch über der Familie von Baskerville und viele Mitglieder unserer Familie starben eines unnatürlichen, gewaltsamen und blutigen Todes. Man hofft, dass dieser Fluch über die vierte Generation hinaus keine Unschuldigen mehr trifft. Die Geschichte schloss mit diesem Rat: "Dieser Vorsehung, meine Söhne, empfehle ich euch, das Moor in jenen dunklen Stunden, da böse Mächte am Werk sind, nicht zu durchqueren."
Als Dr. Mortimer geendet hatte, gähnte Holmes laut und setzte sich auf. "Märchen, alles Märchen", sagte er.
Da zog Dr. Mortimer einen Zeitungsbericht aus der Tasche vom 14. Juni dieses Jahres. "Das ist eine kurze Darstellung der Tatsachen, die anlässlich des wenige Tage zuvor verstorbenen Sir Charles Baskerville bekannt gegeben wurden."
Nun erfuhren wir, dass die Umstände des Ablebens dieses überaus beliebten und großherzigen Mannes nicht vollständig geklärt werden konnten. Doch Dr. Mortimer ließ es sich nicht nehmen, uns über Details zu informieren, die er am Unglücksort erkannt hatte. Er erwähnte, dass Sir Charles mit ausgebreiteten Armen auf dem verzerrten Gesicht gelegen hatte; seine Finger in die Erde gekrallt. Und es waren Fußspuren um die Leiche herum gewesen; wohl etwas weiter entfernt, aber deutlich sichtbar und frisch.
"Fußspuren?", fragte Holmes.
Dr. Mortimer sah uns einen Atemzug lang eigenartig an und dann flüsterte er: "Mr. Holmes, es waren die Fußspuren eines überlebensgroßen Hundes."