Beim Klang seiner Stimme lief mir ein Schauer über den Rücken. Holmes, der es kaum glauben konnte, beugte sich erregt vor. Die Begebenheit hatte sein Interesse nachhaltig geweckt. Er fragte Dr. Mortimer ganz genau über die Details aus, die in dieser Nacht zu hören, zu fühlen und zu sehen waren.
Sein Gast erzählte von der kalten, feuchten Nacht. Und davon, dass alles sehr verwischt war. Dr. Mortimer hatte die Stelle am Tor selbst untersucht und festgestellt, dass Sir Charles ungefähr vier bis fünf Minuten dort gestanden haben musste. Denn es war zweimal Asche von seiner Zigarre heruntergefallen.
"Ausgezeichnet", rief Holmes, "hier sitzt ein Kollege nach unserem Geschmack, Watson."
Trotzdem war Holmes mit den Ausführungen nicht zufrieden. Er schlug sich ungeduldig aufs Knie.
"Wäre ich doch nur dort gewesen!", rief er. "Dies ist ein so ausnehmend spannender Fall, der wissenschaftlich gesehen viel zu bieten hat. Aus diesem Stück Erde hätte ich so viel herauslesen können. Aber jetzt ist es vom Regen verwischt und von den Fußspuren neugieriger Bauern zertrampelt. Oh, Dr. Mortimer, warum haben Sie mich nicht eher gerufen? Sind Sie sich Ihrer Verantwortung überhaupt bewusst?"
Holmes wunderte sich, dass Dr. Mortimer nun doch seine Hilfe in Anspruch nehmen wollte. Dieser erklärte ihm, dass er in Kürze den Erben von Baskerville empfangen würde: Sir Henry Baskerville.
Dr. Mortimer erklärte: "Nach Sir Charles Tod forschten wir nach einem Abkömmling der Familie der Baskervilles. Wir fanden heraus, dass sich dieser junge Mann in Kanada mit Landwirtschaft beschäftigte. Nach unseren Informationen soll er ein prächtiger Mensch sein. Und er ist der einzige Blutsverwandte und somit der letzte der Baskervilles. In einer Stunde und fünf Minuten hole ich ihn vom Bahnhof ab. Nun Mr. Holmes, was meinen Sie - soll sich Sir Henry auf das Schloss seiner Ahnen begeben oder nicht?"
"Weshalb nicht?", entgegnete Holmes.
"Na ja, bedenken Sie, dass jedem Baskerville, der bisher dorthin gegangen ist, ein bitteres Unglück wiederfahren ist. Wahrscheinlich hätte Sir Charles mich davor gewarnt, den letzten Erben dieses großen Vermögens an den verfluchten Ort zu bringen. Und doch hängt der gesamte Wohlstand dieser ärmlichen Gegend von seiner Gegenwart ab. Wenn Baskerville Hall unbewohnt bleibt, dann werden all die guten Taten, die Sir Charles begonnen hat, zu Staub werden. Da ich fürchte, dass ich persönlich zu sehr in diese Geschichte verwickelt bin, bitte ich Sie um Ihren geschätzten Rat."
Holmes dachte eine Weile nach. Dann riet er ihm, einen Wagen zu nehmen, seinen an der Türe kratzenden Spaniel zu sich zu rufen und Sir Henry Baskerville pünktlich am Waterloobahnhof zu empfangen. Holmes bat sich vierundzwanzig Stunden Bedenkzeit aus, bis er zu einem Resultat kommen würde, und lud Dr. Mortimer für den nächsten Morgen um zehn Uhr zu einem Besuch ein. "Und es wird mir von großem Nutzen sein, wenn Sie Sir Henry Baskerville mitbringen", setzte er noch hinzu.
Ich schickte mich an, das Haus zu verlassen. Wusste ich doch, dass mein Freund die Abgeschiedenheit und Einsamkeit brauchte, in Stunden außergewöhnlicher geistiger Anstrengung. Während dieser Stunden wog er jedes noch so winzige Beweisteilchen ab, baute vielfältige Aspekte auf, verglich und überlegte, welche Punkte entscheidend und welche bedeutungslos waren. Daher verbrachte ich den Tag in meinem Klub und kehrte erst um neun Uhr abends wieder zurück.
Beim Öffnen der Türe wich ich zurück, ob des vom Rauch erfüllten Raumes. Holmes hatte sich während meiner Abwesenheit seinen starken Tabak kommen lassen. Er saß im Schlafrock auf einem Sessel, die schwarze Tonpfeife zwischen den Lippen. Er musste während meiner Abwesenheit etliche Kannen Kaffee und eine unwahrscheinliche Menge Tabak verbraucht haben. Außerdem hatte er sich eine stark vergrößerte Karte kommen lassen, auf der man den speziellen Bezirk sehen konnte.
"Es muss eine wilde, einsame Gegend sein", bemerkte ich zögernd.
"Ja, hier könnte sich der Teufel wirklich in menschliche Angelegenheiten einmischen", sinnierte Holmes. "Aber eigentlich stellt sich eher die Frage, ob überhaupt ein Verbrechen begangen worden ist, wie es begangen wurde und vor allem, wer es begangen hat. Doch falls Dr. Mortimers Annahmen richtig sind und dieser Vorfall mit magischen Kräften zu tun haben sollte, dann enden unsere Ermittlungen im Nichts; deshalb müssen wir vorher alle anderen Möglichkeiten in Erwägung ziehen, ehe wir auf diese zurückfallen."
Holmes fragte mich, ob ich mir über den Tag hinweg auch Gedanken gemacht hätte. "Natürlich", antwortete ich. "Vor allem beschäftigte mich die Änderung der Fußspuren. Aber ich kam zu keinem Schluss."
"Aber ich. Er lief nicht auf Fußspitzen, wie Dr. Mortimer vermutete. Nein, er lief um sein Leben, bis er tot umfiel. Er musste wahnsinnig gewesen sein vor Angst. Denn sonst wäre er nicht vom Haus weggelaufen sondern zum Haus hin. Außerdem beschäftigt mich noch die Frage, wen er in dieser Nacht erwartete und weshalb erwartete er ihn beim Tor und nicht im Haus?"
"Glauben Sie wirklich, dass er jemanden erwartete?"
"Ja, natürlich. Außerdem war bekannt, dass Sir Charles das Moor mied. Und das Unglück geschah an dem Abend, bevor er nach London reisen sollte. Es ergeben sich hier Zusammenhänge. Watson, bitte geben Sie mir meine Geige herüber. Wir schieben jetzt alle Gedanken zur Seite und warten ab. Wir werden ja sehen, was der Termin mit Dr. Mortimer und Sir Henry Baskerville morgen früh um zehn Uhr bringt."