Die Entführung war geglückt. Noch eine Stunde später konnte sich Passepartout vor Lachen kaum halten. Sir Francis hatte ihm die Hand geschüttelt und sein Herr hatte die Tat als "gar nicht übel" bezeichnet, was einem Lob gleichkam.
Die junge Inderin hatte ihre neue Lage noch nicht begriffen. In eine Reisedecke gehüllt, schlummerte sie in einem der Tragsessel.
Um 7 Uhr morgens musste eine Ruhepause eingelegt werden. Die Benommenheit der jungen Frau dauerte an. Der Mahaut flößte ihr einige Schlucke Wasser ein, aber es ging ihr nicht besser.
Sir Fancis Cromarty sprach mit Phileas Fogg über die Zukunft der Witwe. Bliebe Mrs. Aouda in Indien, würde sie ihren Mördern sicherlich wieder in die Hände fallen. Sie musste Indien verlassen.
Mr. Fogg antwortete, er wolle darüber nachdenken, und entsprechend handeln.
Gegen 10 Uhr vormittags war der Bahnhof von Allahabad in Sicht. Die junge Frau wurde im Warteraum der Station untergebracht. Passepartout erhielt den Auftrag ihr neue Kleider zu besorgen.
Er brach sofort auf. Mit der Suche, nach passender Garderobe verband er gleich eine kleine Stadtbesichtigung. In einem jüdischen Laden wurde er fündig. Für 75 Pfund erwarb er ein Kleid aus Schottenstoff, einen weiten Mantel und einen herrlichen Marderpelz.
Mrs. Aouda kam langsam zu Bewusstsein. Die Rauschgifte der Priester verloren nach und nach ihre Wirkung und die schönen Augen der jungen Frau schimmerten allmählich wieder. Sie war eine überaus charmante Frau, die ein gewähltes Englisch sprach.
Inzwischen war es Zeit für die Abfahrt des Zuges. Der Parse wartete auf seinen Lohn. Mr. Fogg gab ihm die versprochene Summe. Nicht mehr und nicht weniger. Passepartout wunderte sich darüber, denn sein Herr musste doch wissen, wie viel er dem braven Parsen schuldete.
Dann sagte Phileas Fogg: "Mahaut, du hast uns zufrieden stellend und treu ergeben gedient. Für deine Ergebenheit sollst du den Elefanten bekommen. Möchtest du dieses Tier haben?"
Die Augen des Parsen funkelten: "Der Herr schenkt mir ein Vermögen", rief er fassungslos.
"Nimm ihn nur, Mahaut. Ich bleibe trotzdem in deiner Schuld."
"Greif zu!", schrie Passepartout begeistert. "Kiuni ist ein zäher, tapferer Bursche." Dann lief er zu dem Elefanten und streckte ihm ein paar Zuckerstücke hin.
Der Elefant trompetet fröhlich, packte den Franzosen mit dem Rüssel fest um die Taille und beförderte ihn mit einem einzigen Schwung auf seinen Schädel. Passepartout thronte furchtlos dort oben. Er streichelte das Tier und der Elefant setzte ihn sanft wieder zu Boden.
Kurz darauf fuhr die Reisegesellschaft mit Volldampf der Stadt Benares entgegen. Sir Francis Cromarty, Phileas Fogg und Passepartout saßen in einem bequemen Eisenbahnabteil und hatten Mrs. Aouda den besten Platz eingeräumt.
Die junge Frau erholte sich zusehends. Sir Francis beschrieb die Ereignisse der letzten Nacht. Er betonte immer wieder wie mutig Phileas Fogg und vor allem Passepartout vorgegangen waren. Mr. Fogg schwieg und Passepartout wehrte verschämt ab.
Mrs. Aouda dankte ihren Rettern und konnte dabei die Tränen nicht zurück halten. Die Schreckensszenen der Suttee fielen ihr wieder ein, und augenblicklich gingen ihre Gedanken in die Zukunft. Ein Schauer durchlief ihren Körper.
Mr. Fogg ahnte, was in der jungen Frau vorging. Er wollte sie beruhigen und versprach ihr, allerdings in recht trockenen Worten, sie nach Hongkong zu begleiten.
Da zufälligerweise ein Verwandter von Mrs. Aouda dort lebte, nahm die junge Frau dankbar an.
Um 12 Uhr 30 Minuten mittags hielt der Zug in Benares. Sir Francis Cromarty musste hier aussteigen. Seine Truppen waren einige Meilen nördlich von Benares stationiert. Der Brigadegeneral verabschiedete sich von seinen Reisegefährten und wünschte Mr. Fogg eine weniger originelle, aber umso ungefährlichere Weiterreise.
Damit gingen sie auseinander.
Von Benares folgte die Eisenbahnlinie teilweise dem Lauf des Ganges. Das Wetter war sehr schön. Nacheinander glitten grüne Bergzüge, Felder mit Gerste, Mais und Weizen, vor den Abteilfenstern vorbei.
Als die Nacht hereinbrach, fuhr der Zug mit unverminderter Geschwindigkeit weiter. Endlich um 7 Uhr früh, hielt der Zug in Kalkutta. Das Postschiff nach Hongkong sollte erst um 12 Uhr die Anker lichten. Phileas Fogg hatte also fünf Stunden zur freien Verfügung.
Sein Ziel war erreicht. Er hatte keinen Zeitgewinn mehr, aber auch keinen Verlust. Die beiden gewonnen Tage waren verloren, aber Phileas Fogg beklagte sich nicht darüber.