"Manche Leutchen bei Madame Tussaud sind genauso lebendig wie dieser Mister Fogg", stelle Passepartout kopfschüttelnd fest. Dazu muss man erklären, dass Madame Tussaud ein Wachsfigurenkabinett ist, in dem viele Berühmtheiten stehen, die unglaublich echt aussehen.
Passepartout hatte sich in den vergangenen Minuten ein Bild von seinem neuen Herrn gemacht. Er schätzte Phileas Fogg auf ungefähr vierzig Jahre. Er war groß, mit einem leichten Bauchansatz und sah sehr vornehm aus. Seine Haare und sein Bart waren blond und sein Gesicht faltenlos. Mr. Fogg verkörperte einen Typ Mensch, der ganz im Stillen etwas Bedeutendes zu leisten vermochte, und er war die Genauigkeit in Person. Er tat keinen Schritt umsonst und wählte stets den kürzesten Weg. Freunde hatte er wohl keine - die hätten ihn zu sehr in seinem perfekt geplanten Leben behindert.
Jean Passepartout selbst war ein überaus tüchtiger junger Mann. Er hatte einen kugelrunden Kopf und feste Backen, die er selbst sehen konnten, wenn er seinen Blick senkte. Auf die Pflege seiner Haare legte er nicht viel Wert. Was nach dreimaligem Durchkämmen nicht am Platz saß, wurde so belassen. Durch die vielen unterschiedlichen Tätigkeiten hatte er einen muskulösen Körper bekommen.
Ob dieser redselige Diener und der doch eher verschwiegene Mr. Fogg gut zusammen passen würden, musste sich erst noch herausstellen. Und Passepartout musste noch den Beweis erbringen, dass er den Anforderungen seines Herrn auch gewachsen war - vor allem in Punkto Genauigkeit.
Jedenfalls sehnte sich der junge Mann nach einem stillen Hafen. Den glaubte er in der Person Mr. Foggs gefunden zu haben. Sein letzter Herr, ein Lord Longsferry, Mitglied des britischen Parlamentes, wurde öfters durch hilfreiche Polizistenarme von seinen nächtlichen Ausflügen nach Hause begleitet. Als Passepartout daraufhin einen Kommentar abgab, dass er gerne einen Herrn hätte, den er achten könne, wurde er entlassen.
Inzwischen war Passepartout zu Ohren gekommen, dass ein gewisser Phileas Fogg einen Kammerdiener suchte. Er erkundigte sich und war sehr erleichtert, als er erfuhr, dass Mr. Fogg eine streng geregelte Lebensweise hatte. Er hatte keine schlechten Gewohnheiten, reiste nicht umher und verbrachte die Nächte nicht außer Haus. So bewarb er sich und seinen Dienstantritt haben wir eben selbst miterlebt.
Um Punkt 12 Uhr 30 Minuten begann Passepartout mit einer Hausbesichtigung. Vom Keller bis zum Dachboden war alles sauber und gepflegt und leicht in Ordnung zu halten. Die moderne Gasbeleuchtung und -heizung beeindruckten ihn sehr. Im zweiten Stock fand er sogleich sein Zimmer, das mit einer elektrischen Klingel und einer Sprechanlage mit den Räumen seines Herrn verbunden war.
Auf dem Kamin befand sich eine Uhr, die durch eine Leitung mit der Uhr in Mr. Foggs Schlafzimmer gleichgeschaltet war. Darüber hing ein Plan, der die genauen Tagesabläufe regelte: Um 8 Uhr morgens musste er Mr. Fogg wecken. Um 8 Uhr 23 hatte er Toast und Tee zu servieren. Das wohl temperierte Rasierwasser musste um 9 Uhr 37 bereit stehen und um 9 Uhr 40 wollte Mr. Fogg frisiert werden. Auch die Stunden von 11 Uhr 30 bis Mitternacht, die Phileas Fogg im Club verbrachte, waren genau geregelt. Passepartout schmunzelte und machte sich gleich daran, den Plan auswendig zu lernen.
Danach verschaffte sich Passepartout einen Überblick über die Garderobe seines Herrn. Alle Kleidungsstücke trugen Nummern, die in Listen eingetragen waren. Darin konnte man ersehen, zu welcher Jahreszeit und zu welchem Anlass was zu tragen wäre. Bei den Schuhen herrschte dasselbe System. Das gesamte Haus war perfekt organisiert. Bücher besaß Phileas Fogg keine, denn alles, was ihn interessierte, las er in einer der beiden Bibliotheken des Remform Clubs. Im seinem Schlafzimmer stand ein feuerfester und diebessicherer Tresor.
Als Passepartout seinen Rundgang beendet hatte stellte er zufrieden fest: "Ich hätte es nicht besser treffen können. Mr. Fogg und ich werden wunderbar miteinander auskommen. Was für ein häuslicher und korrekter Mann! Wie ein Uhrwerk - und ich habe keine Probleme ein Uhrwerk zu bedienen."