Jedes Jahr fliehen Tausende Menschen vor Verfolgung und Hunger aus ihren Heimatländern und riskieren bei gefährlichen Fahrten über das Mittelmeer ihr Leben. Doch nur wenige schaffen es, nach Europa zu gelangen.
Für etwa 1500 Menschen endete die Flucht über das Mittelmeer im Jahr 2011 tödlich. Im April starben zum Beispiel rund 200 Flüchtlinge, als ihr Schiff unterging. Obwohl sie Hilfe von Malta angefordert hatten, starteten die maltesischen Behörden keine Rettungsaktion. Sie waren der Meinung, dass sich das Schiff näher an Italien befindet und deshalb Italien für die Rettung der Flüchtlinge zuständig ist. Als ein italienisches Schiff schließlich bei den Flüchtlingen ankam, konnten nur noch 47 Personen gerettet werden.
Immer wieder kommt es vor, dass die Notrufe von Flüchtlingen ignoriert werden oder Schiffe in Sichtweite vorbeifahren, ohne ihnen zu helfen. Wolfgang Grenz von Amnesty International Deutschland findet diese Situation unerträglich. „Es darf doch nicht sein, dass Menschen deshalb ihr Leben lassen müssen, weil sich zwei Mitgliedsstaaten der Europäischen Union nicht darüber einigen, wer für die Rettung zuständig ist“, sagt er.
Wenn Mittelmeerstaaten die Notrufe von Flüchtlingen in Seenot nicht beachten, versuchen sie, eine Aufnahme der Menschen in ihr Land zu verhindern.
Allerdings verstoßen sie mit diesem Verhalten gegen die europäische Menschenrechtskonvention, wie Grenz erklärt. Amnesty International und die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl kritisieren jedoch nicht nur Mittelmeerländer wie Malta, Griechenland oder Italien, sondern auch Deutschland. Denn auch hier wird die Situation der Mittelmeerflüchtlinge stillschweigend in Kauf genommen.
Durch seine Teilnahme am Resettlement-Programm des UN-Flüchtlingswerks (UNHCR) hat sich Deutschland im März 2012 zwar verpflichtet, in den nächsten drei Jahren jährlich jeweils 300 Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen. Im Vergleich zu Schweden, das 1800 Flüchtlinge des Resettlement-Programms aufnimmt, ist dies jedoch wenig.
Glossar
Verfolgung, die – hier: das Einsperren oder Töten von Menschen meist aus politischen Gründen
sein Leben riskieren – sich so verhalten, dass man in Gefahr ist zu sterben
Mittelmeer, das – das Meer zwischen Nordafrika und Europa
rund – ungefähr; etwas mehr oder etwas weniger als eine bestimmte Zahl
Flüchtling, der – jemand, der sein Land aus einem bestimmten Grund (z. B. Krieg) verlassen muss
untergehen – hier: ein Schiff versinkt im Meer
etwas anfordern – hier: um etwas bitten
für etwas/jemanden zuständig sein – verantwortlich für etwas/jemanden sein
Notruf, der – hier: ein Signal, mit dem man um Hilfe ruft
ignorieren – nicht beachten; so tun, als ob etwas/jemand nicht da ist
in Sichtweite – so, dass man etwas/jemanden sehen kann
unerträglich – schrecklich; furchtbar
sein Leben lassen – sterben
sich einigen – eine gemeinsame Lösung für ein Problem finden
Aufnahme, die – hier: die Ankunft und Unterbringung in einem Land
gegen etwas verstoßen – eine Regel missachten
Menschenrechtskonvention, die – eine Bestimmung zum Schutz von Menschenrechten
betroffen – hier: so, dass man mit etwas zu tun hatstillschweigend – hier: ohne Kritik; ohne Diskussion
etwas in Kauf nehmen – hier: etwas akzeptieren, auch wenn es negativ ist
Resettlement-Programm, das – ein Projekt, → Flüchtlinge, die in Flüchtlingslagern leben, in reicheren Ländern unterzubringen
sich zu etwas verpflichten – versprechen, etwas zu tun