Die anthroposophischen Ideen Rudolf Steiners sind heute noch sehr populär und beeinflussen viele Lebensbereiche. Aber sie sind auch umstritten, denn viele kritisieren ihren esoterischen Charakter.
Spirituelle Entwicklung, künstlerische Entfaltung und gesellschaftliches Engagement – das sind die drei Grundideen der sogenannten Anthroposophie, die durch Rudolf Steiner Ende des 19. Jahrhunderts begründet wurde. Im Mittelpunkt seiner Weltanschauung steht dabei die Beziehung zwischen dem Menschen und dem Übersinnlichen.
Ende Dezember 1912 gründete er in Köln die erste Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft AAG. Steiner wollte so seine eigenen Vorstellungen über den Aufbau des Staates oder die Organisation eines öffentlichen Gesundheitssystems umsetzen. Er beschäftigte sich mit Landwirtschaft, Pädagogik, Kunst und Architektur.
So entwickelte Steiner zum Beispiel eine Bewegungslehre – die Eurythmie. Das ist eine Art Tanz, der Klänge durch Gesten und Gebärden ausdrückt und heute als therapeutisches Mittel eingesetzt wird. Außerdem gründete er die erste Waldorfschule. Im Auftrag des Besitzers der „Waldorf Astoria-Tabakfabrik“ entwickelte Steiner ein pädagogisches Konzept, das auf der anthroposophischen Weltanschauung beruhte. Weltweit gibt es heute mehr als 1000 Waldorfschulen, 233 allein in Deutschland.
Auch andere Bereiche sind von Steiners Ideen beeinflusst worden: Manche Bauernhöfe betreiben zum Beispiel bio-dynamische Landwirtschaft, und ganzheitliche, auf Körper und Geist bezogene Medizin ist heute sehr populär. Allerdings hat die Anthroposophie auch viele Gegner. Sie bewerten Steiners Theorie als unwissenschaftlich und esoterisch. Auch Steiner selbst wurde stark kritisiert, denn in seinen Schriften lassen sich viele rassistische Passagen finden.
Glossar
Esoterik– hier: die Beschäftigung mit →Übersinnlichem; die Suche nach einer „höheren“, nicht-naturwissenschaftlichen Wahrheit (Adjektiv: esoterisch)
populär – sehr beliebt
Charakter (hier nur Singular) (m.) – hier: die Art und Weise, wie etwas ist; das besondere Merkmal von etwas
umstritten sein, etwas ist umstritten – etwas ist so, dass es verschiedene Meinungen über etwas gibt
spirituell – geistig-religiös
Entfaltung, -en (f.) – hier: die freie Entwicklung
Engagement, -s (n.) – hier: der freiwillige Einsatz für eine bestimmte Sache
etwas begründen – hier: etwas (z. B. eine Theorie oder eine Denkrichtung) neu schaffen
Weltanschauung, -en (f.) – die persönliche Meinung über das Leben und die Gesellschaft
übersinnlich – so, dass man es nicht logisch erklären und begreifen kann
etwas um|setzen – hier: etwas realisieren; etwas verwirklichen
Lehre, -n (f.) – hier: die Theorie
Gebärde, -n (f.) – die Körperbewegung, mit der man etwas ausdrücken will (z. B. eine Empfindung)
therapeutisches Mittel, - (n.) – hier: eine Methode, um eine bestimmte Krankheit zu behandeln
auf etwas beruhen – etwas ist die Basis für etwas
etwas betreiben – hier: ein Geschäft oder Unternehmen leiten
bio-dynamische Landwirtschaft – eine Art der Landwirtschaft, die nach ökologischen und anthroposophischen Prinzipien arbeitet
ganzheitlich – so, dass man nicht nur einen Aspekt einer Sache, sondern alle möglichen Einflüsse beachtetrassistisch – so, dass jemand Menschen nach Herkunft und Hautfarbe bewertet