Die Zahl der Touristen mit Handicap in Deutschland steigt. Dennoch gibt es für sie nur wenige behindertengerechte Urlaubs-Angebote. Auf Segeltörns in der Ostsee brauchen sie aber künftig nicht mehr zu verzichten.
Wenn Kapitän Michail Freitag von seinem Steuerruder aus auf das Deck sieht, fahren dort jetzt Rollstuhlfahrer über die Planken. Er steuert Deutschlands einziges Segelschiff, das auch für Behinderte geeignet ist. Mit dem Schiff "Wappen von Ueckermünde" wird eine der Angebotslücken geschlossen, auf die urlaubswillige Behinderte in Deutschland noch immer treffen.
Die Törns der "Wappen von Ueckermünde" führen über die Ostsee nach Schweden, Dänemark oder Polen. Damit Rollstuhlfahrer mitsegeln können, waren mehrere Umbauten auf dem gut 22 Meter langen Schiff nötig. Behindertengerecht konstruiert wurden Kojen, Dusche, Toilette und Kombüse. Um unter Deck zu gelangen, gibt es selbstbedienbare Rollstuhllifte. Ein besonderer Kartentisch ermöglicht den behinderten Matrosen die klassische Navigation mit der Seekarte, und der Kompass hat eine Sprachausgabe für Blinde, der ihnen das Steuern des Bootes ermöglicht.
Solche barrierefreien Angebote sind rar gesät. Hartmut Smikac vom 'Netzwerk barrierefrei reisen' bedauert das: "Noch immer ist es so, dass man als Behinderter zwar alles vom Tauchen bis zum Ballonfliegen machen kann, aber nicht unbedingt in Deutschland." Auch Arno Frank, Geschäftsführer der 'Nationalen Koordinationsstelle Tourismus für Alle', findet, dass behinderte Einzelreisende in Deutschland zu kurz kommen. Auch wenn sich in den letzten Jahren einiges getan habe.
Die "Wappen von Ueckermünde", das erste behinderten- und rollstuhlfahrergerechte Großsegelschiff in Deutschland, ist mit ihrem Angebot somit in eine Marktnische gedrungen. Und langweilen werden sich die Gäste an Bord bestimmt nicht: Alle müssen mitmachen, Segel setzen, in der Kombüse arbeiten oder beim Anlanden helfen.
GLOSSAR
Handicap, das – Englisch für: körperliche Behinderung
Segeltörn, der – eine Fahrt mit einem Segelboot (ein Boot, das durch ein großes aufgespanntes Tuch den Wind nutzt, um vorwärts zu kommen)
Steuerruder, das – das Hilfsmittel auf einem Schiff, mit dem das Schiff gelenkt wird
Deck, das – horizontale Fläche in einem Schiff (Boden), z.B. grenzt ein Deck den Unterraum des Schiffs ab
Rollstuhlfahrer, der – jemand, der nicht laufen kann und sich in einem Rollstuhl (fahrbarer Stuhl) fortbewegt
Planke, die – ein breites Brett auf einem Schiff, das mit anderen Brettern den Fußboden bildet
gut – hier: ungefähr
Koje, die – das Bett in einem Schiff
Kombüse, die – die Küche in einem Schiff
selbstbedienbar – etwas kann von einer Person ohne fremde Hilfe bewältigt werden
Kompass, der – ein Gerät, das die Himmelsrichtung Norden anzeigt und somit hilft, dass man sich orientieren kann
barrierefrei – ohne Hindernisse
etwas ist rar gesät – etwas kommt selten vor
Marktnische, die – ein Teilgebiet auf dem Angebotsmarkt, das noch nicht entdeckt oder ausgefüllt ist
Segel setzen – ein Vorgang, bei dem die Segel so eingestellt werden, dass sie die Kraft des Windes einfangen, und damit das Schiff Antrieb bekommt
Anlanden, das – in einem Hafen oder am Ufer anhalten